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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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einen halben Meter entfernt auf den Boden, um sie besser zu sehen. Sie ignorierten mich. Die Babys klammerten sich an die haarige Mutterbrust und starrten mich an. Himmel, waren die süß! Mir kam der Gedanke, ich könnte mir einen Affen als Haustier anschaffen. Oder wie Jane Goodall nach Afrika auswandern und mit den Schimpansen leben. Zur Abwechslung mal wissenschaftlich arbeiten. Mit diesem Hokuspokus hier aufhören und empirische Daten sammeln!
    In diesem Augenblick landete etwas Schweres auf meiner Schulter, und winzige Finger krallten sich in meine Haare. Als ich den Kopf drehte, blickte ich in das ulkige Gesicht eines jungen Makaken. Er grinste mich an und wischte mit einer Bananenschale über meinen Arm. Gleichzeitig näherte sich grinsend ein großer, bärtiger Mann.
    »Du frecher Affe!«, rief er lachend. Der Affe posierte zufrieden für Touristen mit Gürteltaschen um den Bauch, die mit ihren Digitalkameras herbeiliefen, um die Szene festzuhalten. Ich saß still, so lange ich konnte, und lächelte meinen neuen Freund an, als wäre ich Jane Goodall beim PR-Spot für ihr neuestes Buch. Aber eigentlich beschäftigte mich weniger Jane-Goodall-Kram wie Affenhabitate oder Schimpansenverhalten als die Möglichkeit, dass dieser freche kleine Kerl mir auf die Schulter pinkeln oder Läuse haben könnte. Mein neuer Freund fummelte an meinen Haaren herum, als hätte er die kleinen Biester schon auf meiner Kopfhaut verteilt. Seine Finger kitzelten mich im Nacken. Ich stand vorsichtig auf, um das Fotoshooting nicht zu verpfuschen, aber mein neuer Freund sprang irritiert von meiner Schulter auf die Mauer und hopste kreischend davon.
    Als ich mich wieder auf die bemooste Mauer gesetzt hatte und mir den glitschigen Bananenmatsch von Arm und Schulter wischte, sah ich, dass der Bärtige immer noch in der Nähe stand und mich beobachtete. Er war hochgewachsen und hager, mindestens einen Meter neunzig groß und so knochig, als hätte man einen viel kleineren Mann auf ein Streckbett geschnallt. Sein weißes Hemd, das unter den Armen Schweißflecken hatte, hing ihm offen über den Gürtel. Haare und Bart waren kurz und rabenschwarz. Und er war angesäuselt, vielleicht auch betrunken.
    »Kann ich mich dazusetzen?«, fragte er breit lächelnd. Er hatte einen australischen Akzent.
    Ich wäre wirklich lieber alleine gewesen und antwortete lahm: »Ich sehe nur den Affen zu.«
    »Ich habe nicht nach Affen gefragt«, konterte er, »ich habe gefragt, ob ich mich zu dir setzen kann.«
    Ich zuckte die Achseln. »Von mir aus.«
    »Überanstreng dich nur nicht«, sagte er fröhlich, setzte sich neben mich auf die Mauer und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Brusttasche. Wir schwiegen uns eine Weile an. Er rauchte, und ich konzentrierte mich darauf, ihn nicht um eine Kippe zu bitten. Wenn doch Bärbel da gewesen wäre, um meine Disziplin zu bewundern!
    »Und, was ist es bei dir?«
    »Was ist was?«
    »Was machst du hier in Ubud, die klassische Reisefrage.« Er musterte mich neugierig mit seinen leicht benebelten graublauen Augen.
    Ich erzählte es ihm, und er sprang von der Mauer. »Yoga!«, rief er. »Mach ich auch.« Er setzte sich im Lotossitz auf die Pflastersteine. Dann zwinkerte er mir zu, beugte sich vor, schob die Arme zwischen den Beinen hindurch und stemmte sich vom Boden hoch.
    Und das alles mit einem Glimmstängel zwischen den Zähnen. Er strahlte mich an und knurrte wie eine Yogi-Version von Humphrey Bogart: »Das habe ich in Indien gelernt.«
    Ich war sprachlos. Und sauer. Diese Stellung beherrschte ich immer noch nicht. »Was hast du in Indien gemacht?«
    »Ich saß achtzehn Monate im Knast.«
    »Oh.«
    »Mein Zellengenosse hat’s mir beigebracht.«
    »Ah.« Ich nahm mir vor, mit diesem Mann nicht tiefer in den Wald hineinzugehen.
    »Aber weißt du was, Asanas bringen’s nicht wirklich. Meditieren musst du. Asanas sind leicht dagegen. Beim Meditieren findest du die wahre Befreiung. Und dann wirst du die wahre Schönheit des Lebens erkennen.«
    Dieser braungebrannte, behaarte Trunkenbold wollte mich über die wahre Schönheit des Lebens aufklären! Ich lachte. »Ich glaube, ich sehe sie mir gerade an«, erwiderte ich, auf die Bäume und die Affen deutend.
    Er guckte verdutzt. »Und was lernst du in diesem Yoga-Camp? Warte mal, ich hab mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Carl.«
    »Suzanne.«
    »Okay.«
    »Also«, fing ich an. »Ich lerne …« Ich verstummte. Mein Kopf tat weh. Mir fiel kein einziges Wort ein. Ich hatte

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