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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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ihn nicht enttäuschen. Sooft es ging, kehrte ich in den Schoß meiner Familie zurück, übers Wochenende oder für längere Urlaube, aber keiner meiner Besuche zu Hause war lang genug.
    Meine Großeltern starben beide, während ich in New York lebte. Der Anruf wegen Oma kam kurz nach dem Umzug. Ich erklärte meinem neuen Arbeitgeber in einer großen Consulting-Firma, dass er eine Weile ohne mich auskommen müsse, und flog sofort hin. Als der Anruf wegen meines Großvaters kam, tat ich dasselbe. Sie hätten mir mit der Kündigung drohen können, es hätte mich nicht gekümmert. Ich musste dort sein und Abschied nehmen. Mike kam fast gleichzeitig mit mir an; er hatte seinen Urlaub in Lake Tahoe abgekürzt, um bei meinem protestantischen Großvater zu sein, der für meine katholischen Cousins der Ersatzopa gewesen war. Wir waren alle da, überschwemmten die Krankenhausflure und trieben die Krankenschwestern in den Wahnsinn, wenn Opa auch nur eine Sekunde zu lange auf seine nächste Morphiumdosis warten musste. Wir saßen stundenlang an seinem Bett, während sich seine Lungen mit Flüssigkeit füllten, umsorgten ihn und erzählten Witze, und in den Stunden zwischen Nacht und Tag beteten wir gelegentlich.
    Mike kam kurz vor Tagesanbruch im Krankenhaus an. Wir hatten kaum Zeit, uns zu begrüßen, bevor er meinem Großvater die Letzte Ölung gab. Meine Geschwister und ich hatten auf Mike gewartet, und nun hielten wir uns am Sterbebett an den Händen und beteten. Ich hätte nicht sagen können, zu wem oder was ich betete – dem Hämmern in meinem Kopf? Dem Dröhnen in meiner Brust? Auf jeden Fall betete ich darum, dass er nicht länger leiden musste. Ich hatte das Gefühl, dass er gleich in einen ewigen Schlaf versinken und nicht mehr existieren würde, dass wir uns nie wiedersehen würden. Und doch … und doch! Ich konnte mich auch irren, sicher war ich mir nicht.
    Er starb, während meine Schwester und ich das Mittagessen holten. Wir liefen zum Krankenhaus zurück, und als wir ankamen, sagte mein Vater, wir könnten uns immer noch verabschieden, denn nach dem Sterben »bleiben wir noch ein Weilchen in der Nähe«. Wir standen also noch eine Zeitlang am Bett, während meine Tanten um seinen Leichnam herum Fotos auslegten, Bilder von Großvater aus den verschiedenen Lebensaltern – als feixendes Kleinkind, als frischgebackener Ehemann, als Vater von vier Kindern und ein Bild aus dem Krankenhaus, wenige Tage vor Omas Tod: Opa mit rotgeweinten Augen und einem seiner Urenkel auf dem Schoß. Während meine Tanten seinen Körper mit den Bildern seines Lebens schmückten, erzählten wir ihm, wie sehr wir ihn vermissen würden, wie viel er uns allen bedeutet hatte. Und plötzlich, mit vor Kummer zugeschnürter Kehle, spürte ich, dass ich bereit war, die Arbeit an meinem unsichtbaren Garten wieder aufzunehmen.
    Nicht lange nach der Beerdigung meines Großvaters und meiner Rückkehr nach New York fuhren Jonah und ich nach Norden zur Hochzeit von zwei Mitgliedern unserer kleinen Stadtfamilie. Die Braut hatte mich gebeten, am Morgen der Hochzeit eine Yoga-Stunde abzuhalten, und ich hatte zugesagt, obwohl mich die Vorstellung ziemlich erschreckte.
    Bis heute ist das die einzige Yoga-Stunde, die ich außerhalb von Bali je gehalten habe. Genaugenommen bin ich gar nicht befugt, Yoga zu unterrichten. Durch die drei Tage Bali-Bauch fehlten mir ein paar Stunden für mein Diplom. Nachdem ich erkannt hatte, dass ich lieber Yoga lernen als unterrichten wollte, hatte ich mich nicht mehr bemüht, sie nachzuholen. (Wenn natürlich jemand vorbeikommt und wir jede Menge Wein trinken, halte ich vielleicht spontan eine Yoga-Stunde. Ich hab mir diesen Stil sogar patentieren lassen. Er heißt Suffasana. Pranayama, die Atemübungen, bestehen darin, dass ich von meinem Besucher eine Zigarette schnorre. Dafür braucht man kein Diplom.)
    Es war ein schönes Herbstwochenende in Upstate New York. All unsere Freunde aus Seattle und New York waren da. Viele hatten gerade erst geheiratet und sahen so aus, wie ich mich gerne gefühlt hätte. Jonah und ich stritten uns nicht – wir stritten uns sowieso kaum. Wir hatten uns einfach wenig zu sagen. Wir gingen uns aus dem Weg. Ich dachte mir trübselig Strategien aus, wie wir fröhlicher, entschlossener und glücklicher würden, aber es war schwer, in Kontakt zu bleiben, weil ich Jonah ständig in New York allein ließ, um nach Hause zu meiner Familie zu jetten, und inzwischen gaben mir meine Pläne nur noch

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