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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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eine verhätschelte Amerikanerin bin, die sich wie ein verwöhnter Teenager aufführt. Ich Ärmste, mein Yoga-Retreat hat mich enttäuscht! Ich Unglückswurm!
    Wisst ihr was? Scheiß drauf. Scheiß auf den höheren Vogel!
    Ich werde mir eine Handtasche kaufen. Ist das nicht die Religion meiner Kultur? Hat man uns nach dem 11. September nicht gesagt, wir sollten beten und shoppen gehen?
    Vielleicht lernt man durch kleine Schritte Vertrauen entwickeln. Ah, ja. Mein Schatzzzzz. Mein Liebling, mein Einundalles. Ein kleiner Schritt für meinen inneren Zweifler, aber ein großer Schritt für meine äußere Garderobe.
    Vielleicht sollte ich anders darüber denken: Meine Handtasche könnte dem Geist eines großes Designers oder aber dem Chaos eines anonymen Fließbands entsprungen sein. Aber wenn alles eine Illusion ist, geht es nicht um echt oder gefaked. Die Tasche ist . Sie ist ich, ich bin sie. Und ehrlich gesagt, ist es mir im Moment scheißegal, ob sie echt ist oder nicht. Zieh los und praktiziere die Religion deiner Kultur, Suzie-Q. Stell sie nicht in Frage, gib nach, gib dich hin. Ist das nicht das Ziel jeder Religion?

4. Mai
    Heute war ein phantastischer Tag. Ich wachte früh auf und hatte keinen Kater, weil Jessica und ich gestern zu Hause geblieben sind und nur Wasser und Tee getrunken haben. Okay, wir haben jede ungefähr fünf Pfund zuckersüßen schwarzen Reisbrei verschlungen, aber danach haben wir uns am Riemen gerissen. Wir haben nicht mal getratscht. Wir haben aneinander unsere Unterrichtseinheiten geübt, weil wir heute den Unterricht halten sollten.
    Ich war früh auf und meditierte eine Stunde. Ich hatte wieder das altbekannte Gefühl zu versinken. Inzwischen glaube ich, dass der Kauf der Handtasche meinem spirituellen Wohlbefinden unheimlich Auftrieb gegeben hat, denn jetzt, wo ich sie besitze, muss ich nicht mehr über sie meditieren. Kein Wunder, dass die Reichen sich der spirituellen Sinnsuche widmen können. Sie werden nicht von der Gier nach Dingen verzehrt, weil sie sie schon haben!
    Vielleicht hatte Sus Onkel doch recht.
    Nach der Meditation fühlte ich mich frisch und hätte die ganze Welt umarmen können. Wir machten uns auf den Weg und gingen im Gänsemarsch zum Yoga. Unterwegs begegneten wir drei nackten Männern, die im Fluss badeten, und sie lächelten uns zu, und wir lächelten zurück, hallo ihr, selamat pagi , und damit hatten wir den Männern und ihrem Gemächt einen guten Tag gewünscht.
    Nach der Klasse merkte ich erschrocken, dass mir das Unterrichten Spaß machte. Es gefiel mir. Von oben hat man einen ganz anderen Blickwinkel als von der Matte. Ich konnte sehen, wie alle sich enorm anstrengten, weil sie ihre Grenzen erweitern wollten, und manche hatten Mühe damit. Ich sah, dass Marcy verstohlene Blicke zur Seite warf, weil sie ihre Vorwärtsbeuge im Stehen mit der ihrer Nachbarin vergleichen wollte. Ich sah Jessicas frustrierte Miene bei der Kamel-Stellung; sie macht sich Sorgen, dass ihr Herz nicht offen genug ist, deshalb wird sie bei Brustöffnern immer ganz nervös. Sechs Leute mit verspannten Beinmuskeln und müden Augen schlurften rein, und ein wesentlich biegsameres, muntereres Trüppchen spazierte hinaus. Der Unterricht hatte was von einem Liebesakt. Sehr merkwürdig.
    Ich hatte immer angenommen, ich würde das Unterrichten hassen. Wahrscheinlich, weil ich immer nur Kinder unterrichtet habe, zuletzt eine Grundschulklasse. Während einer Improvisationsübung hatte ich mir den Knöchel verstaucht und vor einem Dutzend Acht- bis Zehnjähriger »Oh, SCHEISSE!« gerufen.
    Tja. Kinder sind nicht mein Ding.

Später
    Ich habe meine Sachen gepackt. Ein merkwürdiger Anblick: der Koffer so drall und der Kleiderschrank so leer. Ja, aber ich freue mich auf zu Hause. Aufs Wäschewaschen und auf Leitungswasser und Lippenstift und Kino mit meiner Schwester.
    Beim Packen fand ich den Roman des Matrosen. Komisch, ich habe in den letzten Wochen kaum an ihn gedacht. Alle meine Träume drehten sich um Jonah. Ich kann es kaum erwarten, heimzukommen und meinen Flug nach New York zu buchen. Der Matrose ist nur ein Freund. Es ist doch schön, wenn man Freunde hat, zu denen man sich hingezogen fühlt. Man fühlt sich so lebendig. Besonders wenn man sich einredet, dass ihre Seele der eigenen gleicht und beide sich nach einer Art Wahrheit sehnen. Wenn wir uns zu nahe kämen, wären wir enttäuscht. Ganz bestimmt. Besser, der Wunsch bleibt unerfüllt.
    Wir pilgern gleich ins Jazz Café zu einer

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