Bin Ich Schon Erleuchtet
Stoffwechsel? Warum nicht mein Dukra?
Ganz ehrlich: Ich wollte ein ausgewogenes Agni. Unbedingt. Aber ich wollte nicht nur das perfekt ausgewogene Agni einer Yogini. Das Agni war nur der Anfang. Ich wollte das ganze Paket.
Ich wollte meine Übungen wiederhaben. Ich wollte diesem kifferäugigen Yoga-Lehrer beweisen, was ich drauf hatte. »Ich bin eine verdammt tolle Yogini«, sagte ich. Laut. Zu der Katze. Was ja schon komisch ist, denn ich war nie eine verdammt tolle Yogini. Aber ich erinnerte mich daran, wie es war, sich wie eine zu fühlen.
Wenn man Yoga ernsthaft betreibt, wenn man täglich Übungen macht, wenn man Yoga lebt , fängt man an, sich wie eine Göttin zu fühlen. Du hast die ganze Zeit ein spirituelles High. Dein Körper fängt an, sich deinem Willen zu unterwerfen, was bewirkt, dass sich dein Gehirn paradiesisch fühlt, und du erkennst mit der Zeit, dass du alles an dir ändern kannst – von dem sprunghaften Gehopse von einem negativen Gedanken zum nächsten bis zur Reaktion auf deine Mutter, wenn sie dir sagt, was du zu tun hast. Du glaubst, du kannst dir alles abgewöhnen, das Schwitzen, das Klagen, und in deiner großen Weisheit sogar dafür sorgen, dass der Kommunismus funktioniert – und zwar nicht nur theoretisch.
Du fühlst dich wie ein Gott. Du denkst wie ein Gott. Die Leute starren dich an, wenn du ganz lässig deine Beine hinter dem Kopf kreuzt, völlig uneitel natürlich, du musst nur eben mal stretchen, und sie sagen dir, du bist ein Gott. Du, das verlorene Schaf, wurdest errettet, und du fängst an zu glauben, dass dein Beispiel andere dazu veranlassen könnte, ihr Selbst zu suchen.
An diesem Punkt wirst du absolut unausstehlich. Ich ließ die Mitglieder meines Yoga-Studios Revue passieren und entdeckte Dutzende von ihnen. Eins-mit-Sternchen-Yogis. Sie suchen viel zu oft den Augenkontakt und haben Workshops zur Herzöffnung gemacht, bis sie die Persönlichkeit einer rohen Auster angenommen haben. Und ihr Ego, oh Gott! Immer treffen sie die richtigen Entscheidungen, immer fühlen sie sich wahnsinnig gut und wachen bei Tagesanbruch auf. Man könnte kotzen! Immer wenn sie ihre Gedanken und Begierden kontrollieren, klopfen sie sich innerlich auf die Schulter. Aber hallo! Ich würde das garantiert auch.
Oh shit, dachte ich. Ich habe es garantiert getan! Ich ließ die Zeitschrift sinken. Ich war dreißig Jahre alt und verstand jetzt endlich, was vor fünf Jahren passiert war, als mich ein einzelner spiritueller Durchbruch auf Bali in eines dieser ungemein nervtötenden Wesen verwandelt hatte – den egomanen Yogi.
Nach meiner Kundalini-Erfahrung hatte ich mich so phantastisch, so vollständig, so eins mit meiner Umgebung gefühlt, dass ich natürlich annehmen musste, ich hätte profunde Einsichten gewonnen. Ein schwacher menschlicher Geist wie der meine erschafft aus einer solchen Selbstzufriedenheit leicht die Überzeugung, dass man höher entwickelt, bewusster, erleuchteter ist als die anderen.
Es war erstaunlich. Ich hatte die größten Probleme mit einer gesunden Einstellung zum Yoga, als ich glaubte, ich hätte eine gesunde Einstellung zum Yoga. Als mir schien, als wüsste ich, was ich tue, als hätte ich alles durchschaut. Als wäre Yoga mein großes Talent.
Si comprehendis, non est Deus.
Ich fing schon in jungen Jahren an, Sternchen zu sammeln. Im Kindergarten fürs Lesen. Im Klavierunterricht fürs Auswendiglernen. Das Entscheidende an einem ersten Preis ist, dass man damit vor allen anderen angeben kann, besonders vor denen, die nur zweite Preise bekommen. Wie soll man also kein komplettes Arschloch werden, wenn man die Disziplin aufbringt, früh aufzustehen, das Agni zu wecken, mit seinem perfekten Yoga-Körper die Sonne zu begrüßen und dann erleuchtet durch den Tag zu wandeln? Wie soll man sich nicht dazu gratulieren, dass man ein so gewissenhafter Yogi ist, besonders wenn um einen herum so viele Gescheiterte durchs Leben schlingern – Kippe in der einen Hand, Mudra in der anderen –, die ihre kleinlichen Begierden und Anhaftungen in die Welt hinauschanten?
Wie soll man sich nicht einreden, dass man besser ist als jene ? Wie soll man dem Impuls widerstehen, seine goldenen Trophäen zu polieren, bis der Akt des Polierens selbst zu einer Meditation wird?
Am nächsten Tag ging ich zum Yoga, um eine Antwort zu finden. Ich ließ zu, dass mein Bein zitterte. Ich ruhte mich häufig aus. Und wenn es mir peinlich war, der Klassenkrüppel zu sein, rief ich mir in
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