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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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und sind dann Lehrer für Kinder geworden?«
    Offensichtlich ist die Frage rhetorisch, denn ohne den Blick von den Unterlagen zu heben, fährt er fort. »Außerdem waren Sie Pressesprecher einer Werbekampagne für Atheismus?«, fragt er zuerst nachdenklich, erhebt dann aber plötzlich die Stimme und sieht mich vorwurfsvoll an: »Damit haben Sie sich für einen Job bei der Caritas wohl disqualifiziert!« Kopfschüttelnd schiebt er einen großen Stapel Unterlagen an den äußersten Rand des großen Tisches.
    »Ja, wenn Sie das so …«
    »Tut mir leid«, unterbricht er mich, schlägt die Mappe wieder zu, nimmt die Brille von der Nase und reibt sich entnervt die Augen. »Aber mit einem solchen beruflichen Werdegang sehe ich ehrlich gesagt ganz schwarz für Sie.«
    Dann bekreuzigt er sich und murmelt etwas in seine gefalteten Hände. Aus dem Bücherregal hinter ihm öffnet sich plötzlich eine Tür, durch die überraschenderweise Sarah in den Raum tritt. Ihr Kopf ist mit einem weißen Tuch bedeckt, und unter einem langen Kleid schauen ihre nackten Füße hervor. Geräuschlos schreitet sie auf den Schreibtisch zu und macht davor einen höflichen Knicks. Mit beiden Händen schiebt sie den Schleier beiseite und legt dabei eine blau schimmernde Tätowierung im Dekolleté frei. Sie zeigt die Zahlenfolge 08:30. »Und führe ihn nicht in Verschlafung!«, spricht sie dann mit blecherner Stimme, »sondern erlöse ihn von dem Dösen!«
    Wie bitte? Von dem Dösen?
    »Philipp, du hast verschlafen!«, ruft Sarah plötzlich mit klarer Stimme und rüttelt an meiner Schulter. »Es ist halb neun! Du musst in ’ner halben Stunde beim Arbeitsamt sein. Steh jetzt auf!«
    Ich blinzele ein paar Mal, hebe meinen Kopf aus dem Kissen und greife hektisch nach meinem Wecker. Halb neun?! Eine Wagenladung Adrenalin schießt mir durch die Adern und katapultiert mich aus dem Bett, sodass ich nur elf Minuten später geduscht und angezogen die Treppe herunterpoltere.
    »Keine Zeit!«, rufe ich Frau Graufuß entgegen, die sich mir vor ihrer Wohnung im zweiten Stock in den Weg stellt.
    »Aber in Ihrem Müll …«
    »Sortiere ich!«, rufe ich ihr aus dem ersten Stock zu und renne weiter zum Bahnhof.
    Schon von der Straße aus sehe ich die S-Bahn einfahren, also gebe ich auf den Stufen zum Gleis noch einmal Vollgas. Mit einem Hechtsprung schmeiße ich mich gerade noch zwischen die Türen, die sich mit einem tutenden Signal schließen und dabei meinen rechten Fuß einklemmen. Vor den Augen einiger untätiger Fahrgäste stemme ich die Türen mit letzter Kraft ein paar Zentimeter auf und ziehe meine Tasche hinterher. Geschafft!
    Nachdem sich mein Puls wieder halbwegs stabilisiert hat, entdecke ich einen freien Sitzplatz in einer Viererbank, finde darauf allerdings einen Aktenkoffer vor. Den zwei Punks gegenüber wird er wohl kaum gehören, also kommt als Eigentümer des edlen Gepäckstücks eigentlich nur der Herr auf dem Platz neben dem Koffer infrage. Hinter einer Ausgabe der Financial Times kann ich von ihm allerdings nur die Nadelstreifen und die glänzenden Lederschuhe sehen.
    »Entschuldigung, ist das Ihr Koffer?«
    Raschelnd nimmt Monsieur die Zeitung herunter und bringt seine feinen Gesichtszüge zum Vorschein, die durch einen akkuraten Seitenscheitel eingerahmt werden. Anstelle einer Krawatte ragt der lockere Knoten eines weinroten Tuchs aus seinem Hemdkragen. »Weshalb fragen Sie?«, will er wissen und schaut mich durch eine rahmenlose Brille an.
    »Weila da sitzen möchte, du feiner Pinkel«, mischt sich der Punk vom Sitz gegenüber ein und schaut ihm unbeirrt in die Augen.
    »Also, ich muss doch sehr bitten!«, echauffiert sich der feine Herr und faltet die Zeitung zusammen.
    »Deinen Koffer da wegnehmen, dit musste!«, korrigiert ihn der Punk und nimmt einen Schluck aus seinem Weinkarton. Dabei hält er dem Blick seines Kontrahenten weiter stand und nickt schließlich, als dieser seinen Koffer wegnimmt, ihn umständlich auf seinen Oberschenkeln platziert und sich erneut hinter seiner Zeitungswand verbarrikadiert.
    »So kannze dich im Rolls-Royce ufführen«, hat der junge Mann mit dem grünen Haar noch zu sagen, »aber stell dir vor: Hier inna echten Welt jibt’s noch andre Leute!«
    »Danke sehr«, sage ich in Richtung Zeitung, nicke den Punks zu und setze mich.
    »Keen Ding. Ick bin Sterni, und dit is meene Braut Kröte.« Er zeigt auf die junge Dame neben sich, die mit halb offenem Mund an seiner Schulter lehnt.
    »Haste ’n Euro?«, will

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