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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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die Tür gesetzt wird.
    »Ju wont dschobb, sen ju fill aut sis«, wendet sich der Schnauzbartträger an die Britin und händigt ihr zwei mehrseitige Formulare aus. »… änt sis. Der Nächste!«
    Mit hängendem Kopf verlässt die junge Frau den Schalter und stopft die beiden Anträge in eine Klarsichtfolie zu einem riesigen Stapel anderer Papiere. Nach Nennung meiner Kundennummer verrät mir der Herr hinterm Tresen, in welchem Warteraum ich Platz nehmen soll, und dreht sich dann zu einer Kollegin um, die hinter ihm am Kopierer steht. »Kann ick ja leiden: Keen Deutsch können, aber ’n Job wollen …« Routiniert wendet er sich dem leeren Raum hinter mir zu. »Der Nächste!«
    Nach einem kurzen Sprint erreiche ich gerade noch den Fahrstuhl, in dem die Engländerin bereits vor Wut aus den Ohren dampft. Unterwegs nach oben lässt sie ihrem Frust freien Lauf und legt mir während der Fahrt in den zweiten Stock die kurze und erfolglose Geschichte ihrer Jobsuche in Berlin dar. Im Wartebereich besorge ich zwei Becher Mineralwasser und nehme neben ihr Platz.
    »Oh, you Germans«, meint sie mit einem Blick auf die sprudelnde Flüssigkeit, »you have to drink everything with Kohlensaure?« Nach einem kleinen Schluck schüttelt sie die roten Locken, verzieht das Gesicht und stützt beim Anblick der Mappe auf ihren Knien den Kopf in beide Hände. »And you really love Anträge, Bescheinigungen and Formulare, don’t you?«
    »Jess: Wellkamm tu se hohm of Bürokratie-Freaks!«, antworte ich, richte mich zackig auf und schließe den obersten Knopf meines Hemdes. »In Dschörmenie we lahf Präzision, Effizienz and Bratwurst!«, füge ich im Tonfall des Herrn am Eingang hinzu und salutiere dabei, woraufhin endlich ein Lächeln über ihr Gesicht huscht.
    »By the way: I’m Debbie«, sagt sie und reicht mir die Hand. »Nice to meet you!«
    Weil ich die Außenperspektive auf Deutschland spannend finde, lasse ich mir von Debbie ein paar typisch deutsche Macken aufzählen, und so gestaltet sich die Wartezeit mit Geschichten über Hausschuhe, Apfelschorle, Schrebergärten, Autowaschanlagen und Versicherungen aller Art angenehm kurzweilig. Bevor meine Wartenummer auf dem Display erscheint, kann ich ihr gerade noch die wichtigsten Fragen zu den Anträgen beantworten und ihr viel Erfolg beim Gespräch wünschen, dann durchschreite ich das Großraumbüro, bis ich am Tisch meiner Sachbearbeiterin ankomme. Nach der Begegnung mit dem Bürokratieroboter am Empfang und dem Albtraum von letzter Nacht mache ich mich auf das Schlimmste gefasst.
    »Guten Tag, Herr Möller«, begrüßt mich die junge Frau hinter dem Schreibtisch und bittet mich, Platz zu nehmen. »Ich bin Sabrina Schneider, Ihre Beraterin. Möchten Sie einen Kaffee?«
    Aus dem Ausschnitt der jungen Frau, die mir gegenübersitzt, rankt ein Tattoo über die Schulter bis an ihren Hals. Das dunkelblonde Haar zieren weißblonde Flecken, und ihre rechte Augenbraue ist doppelt gepierct.
    »Gern.«
    »Zucker? Milch?«
    »Beides.«
    Nach einem kurzen Moment, in dem ich den ersten Schock der Begegnung verarbeiten kann, ist sie mit einer Tasse frischem Filterkaffee wieder da und kommentiert meinen überraschten Gesichtsausdruck mit einem freundlichen Lächeln.
    Als ehrlichen Einstieg in das Gespräch gebe ich zu, dem Termin nicht gerade freudig entgegengeblickt zu haben, woraufhin Frau Schneider schmunzelt und ein Foto mit zwei blonden Mädchen zurechtrückt, die ihr verdammt ähnlich sehen. Auf dem ordentlichen Schreibtisch befindet sich ein brandneuer, superflacher Monitor, Maus und Tastatur liegen kabellos davor. Offenbar bin ich in der Businessclass der Arbeitsagentur gelandet, denn bei meinem Blick durch die Büroetage entdecke ich fast nur lächelnde Sachbearbeiter, die mit relativ entspannten Klienten sprechen.
    »Na ja«, beginnt Frau Schneider leise, »als Akademiker befinden Sie sich ja hier sozusagen in der Ersten Klasse der Arbeitsagentur. Aber jetzt erklären Sie mir doch mal, was Sie eigentlich zu mir führt.«
    Zwar habe ich in den unzähligen Stunden, in denen ich eine solche Situation durchgespielt habe, eher die Personalbeauftragte eines Unternehmens statt die Beraterin der Arbeitsagentur vor mir gesehen, dennoch fällt es mir leicht, meinen beruflichen Werdegang nachzuzeichnen. Also berichte ich von dem Pädagogik-Studium, der begleitenden Arbeit als studentische Hilfskraft am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und der Anstellung bei einem süddeutschen

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