Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
sind eben keine richtigen Zusagen, und so stehe ich nun doof da: eben noch Lehrer, jetzt schon auf Jobsuche.
»Darfst du denn überhaupt verreisen, wenn du auf Jobsuche bist?«, fällt Sarah plötzlich ein.
Stimmt ja: der Urlaub! Ich schlucke, denn immerhin ist die Ferienwohnung längst gebucht und bezahlt – damals konnte ich ja nicht ahnen, dass das Schuljahr ohne Job und festes Gehalt enden würde.
Am nächsten Morgen muss ich meinen Kopf vor dem hohen tristen Gebäude weit in den Nacken legen, um das große weiße A im roten Kreis zu erblicken. Durch eine rasant rotierende Drehtür gelange ich in eine riesige Empfangshalle, in der unzählige Menschen stumm auf eine Anzeigetafel voller Namen und Wartenummern starren. Ich stelle mich dazu und suche nach meinem Namen. H, I, J, K, L, M, N, O … kein Möller? Dabei habe ich doch einen Termin! Nur einen gewissen Herrn Müller kann ich finden, aber an diesen Namen habe ich mich ja während meiner Zeit als Lehrer schon gewöhnen müssen. Na gut, dann probier ich es einfach mal als Herr Müller.
Ich bewege mich an den Rand der Halle und steige in den gläsernen Lift, der mich in Windeseile in die schwindelerregende Höhe des siebten Stocks katapultiert. Während der Fahrt werden die Menschen unter mir immer kleiner und kleiner, bis sie zu einem einzigen wuseligen Ameisenhaufen zusammengeschrumpft sind.
Im siebten Stock angekommen, gleiten die Fahrstuhltüren langsam auf. Ich steige aus dem Lift und stehe in einer grell beleuchteten Wartehalle, in der rote Metallstühle in mehreren Reihen aneinandergeschraubt stehen. Auf ihnen sitzen Menschen verschiedener Altersgruppen und starren auf einen großen Fernseher, der vor ihnen an der Wand hängt. Unter Protest einer Gruppe junger Typen in abgewetzten Klamotten drängele ich mich auf einen der letzten freien Plätze und nehme neben einer Dame mit tadelloser Frisur und schmalen Lippen Platz. Dann schaue ich mir das Video an. Es zeigt eine Gruppe attraktiver Männer und Frauen, die in Zeitlupe auf die Kamera zugehen. Sie tragen Aktenkoffer oder Handtaschen, sind in feine Anzüge und Kostüme gekleidet und strahlen den Zuschauer mit perfekten Zähnen an. »Zeitarbeit«, spricht eine tiefe Stimme aus der Glotze, als die Models an der Kamera vorbeilaufen. Dann taucht hinter ihnen ein älterer und sehr seriös wirkender Herr im Dreireiher auf und fügt hinzu: »Ihr Job! Ihre Zukunft!«
Als der Clip ein paar Mal in Schleife gelaufen ist, wird er für eine Anzeige unterbrochen. Herr Müller, bitte zu Beratungsplatz zwei für Akademiker kommen, steht dort in weißen Lettern auf rotem Hintergrund. Das Publikum schaut mich böse an, als ich mich erhebe und wieder aus der Reihe drängele. Ich blicke an mir herab und stelle erschrocken fest, dass ich mit Anzug und Krawatte für diesen Termin offenbar komplett overdressed bin. Ja, genau, denke ich mir. Der Pseudo-Yuppie darf vor euch allen dran, der hat nämlich einen Termin. Der ist schließlich Akademiker. Auch wenn der Anzug von H&M und seine berufliche Zukunft kohlrabenschwarz ist.
»Herr Müller, bitte!«, ruft nun eine Stimme aus dem Lautsprecher, als ich mit großen Schritten an einer Gruppe finster dreinblickender Männer in blauen Latzhosen vorbeilaufe, von denen einer sogar seine geballte Faust in der anderen Hand reibt.
Ein paar Meter weiter öffne ich eine schwere Holztür mit einer gelben Zwei darauf. Hinter einem massiven Eichenholzschreibtisch sitzt ein Mann, der deutlich jünger ist als ich. Die Haare hat er penibel zurückgekämmt und mit viel Pomade an den Schädel geklatscht. Durch eine große Hornbrille starrt er mich an, während er auf einen freien Holzstuhl vor dem Tisch weist. »Bitte setzen«, sagt er streng. »Sie sind doch dieser Herr Müller, oder?«
»Möller«, korrigiere ich ihn, »mit Ö wie Ökonom.«
»Natürlich. Und Sie sind also arbeitslos, Herr Müller?«, will er von mir wissen und schlägt eine lederne Mappe auf, die vor ihm auf dem Tisch liegt. Vorsichtig ziehe ich die schwere Tür ins Schloss und schleiche zu dem Stuhl vor seinem Tisch.
»Wie konnte das denn passieren?«, fragt er.
Tja, gute Frage. Als ich gerade meine kleine Geschichte des gestrandeten Aushilfslehrers zum Besten geben will, hebt er seinen Zeigefinger und hält mit zusammengekniffenen Augen ein Blatt Papier in die Höhe. »Ich habe hier Ihren Lebenslauf vorliegen. Sie haben doch in der Uni gelernt, berufliche Weiterbildungsmaßnahmen für Erwachsene zu gestalten –
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