Bin oder die Reise mach Peking
man sogar: Es ist nicht schlecht, man kann nicht sagen, es ist schlecht! Es erinnert an dieses und jenes, was uns im Entwerfen, da es noch ein Einfall war, erfreut und beglückt hat. Und dennoch ist es trostlos …
Ein alter Gärtner, der eben die Hecke geschnitten hatte, wischte das scherblige Laub zusammen; ich wartete, bis er näher käme, ich hockte auf der Mauer und wartete, betrachtete den Gang seiner herbstlichen Arbeit. Über den Wiesen stieg Nebel wie eine leise Sintflut, Gerippe von Bäumen schwammen darin; ich blieb, ich hockte auf dem nassen Laub, fröstelnd, die Hände in den Taschen.
»Hm«, sagte ich zu dem Gärtner, »ein schönes
Haus, ein sehr schönes Haus!«
»Gewiß, Herr.«
»Das heißt«, sagte ich, »das Dach ist zu groß, will mich dünken. Das Dach ist lächerlich. So ein kleines Haus und so ein großes Dach, ich finde das läppisch.« Er blickte hinauf.
»Sie finden das schön?« fragte ich.
»Man findet das schön, gewiß, Herr.« Er wischte das Laub, sammelte es in seine grüne Schürze, verbeugte sich und ging, seinen Pflichten hörig, und ließ den Fremdling allein. Es roch nach Abend, nach Herbst der Felder, nach Fäulnis von Früchten, die lange schon gefallen und verdorben sind. Ich spielte mit der braunen Mumie von einer Birne, die gerade auf der Mauer gelegen hatte, und sagte:
»Bin, du hast recht –« »Womit?«
»Wir sollten sehen, daß wir weiterkommen.« Natürlich war Bin durchaus bereit … Aber drinnen im Haus war das Fest, wo ich ja ebenfalls saß, ein Umstand übrigens, der mich durchaus nicht verwunderte; man sah es ganz deutlich durch die erleuchteten und großen, viel zu großen Fenster, ich saß neben dem chinesischen Fürsten, dort drinnen; er lächelte aus dem vollen Mond seines fetten Gesichtes, und das Fest konnte noch lange dauern. Der Fürst erhob sein Glas, alle erhoben es, man trank. Bin fragte: »Worauf warten wir?«
»Worauf?« lachte ich bitter, »auf mich –« Ich trat noch näher ans Fenster, um besser zu sehen, und es mochte ja sein, daß es einen Augenblick gab, wo ich mir winken konnte. Gerade jetzt schien es allerdings nicht günstig; der Fürst redete längere Zeit mit mir, und ich sah nur, wie ich öfer nickte. Der Fürst, zeigte es sich, hatte großes Gefallen an dem Haus. Vor allem das Dach, ja, das gefiel ihm ganz besonders. Später redete er von einem neuen Palast; der alte wäre ihm schon lange verleidet und würde ohnehin, gemessen an seinen Bedürfnissen, immer kleiner … Draußen, zu Bin, flüsterte ich:
»Wie ich es als Bub mir gedacht habe!« »Was?«
»Eines Tages käme ein Fürst und sagte, bauen Sie mir einen Palast, aber möglichst groß!« Wir lächelten …
Drinnen stießen sie abermals an, und es konnte kein Zweifel sein, die Sache mit dem Palast war in Ordnung; man sah, wie der Fürst noch einmal mit verbindlichem Gönnertum nickte, ich aber hatte Ohren wie ein roter Krebs, und mir zur anderen Seite saß ein freundlicher Kanzler des Fürsten, ein kleiner Dicker mit einem pfiffigen Zwicker, den er manchmal an seinem Zopfe abrieb und putzte; dieser nette Kanzler hatte das Gespräch vernommen, hellhörig wie er von Amtes wegen war, er hob sein Glas, um anzustoßen, und sagte mit einem unerwarteten Verständnis: »Nimm es nicht schwer!« Beide tranken –
»Nimm es wirklich nicht schwer«, sagte er freundschaflich, indem er seinen Schnurrbart trocknete: »Es ist gerade kein andrer vorhanden, wie so of in der Geschichte – so kommen wir alle, sind wir erst alt genug, zu Würden und Wirkung, im stillen verblüf, wie leicht es ist, wie lächerlich billig, was unsrer Jugend so groß und so schwer schien, im stillen benommen, wie viele Aufgaben in der Welt und wie wenig Männer es offenbar gibt, daß man unsrer bedarf.«
Sie stießen noch einmal an, der Kanzler und ich. Das Mahl ging weiter, und der Fürst, als die ersten Platten kamen, zog eben seine Maske ab, legte sie wie ein verbrauchtes Mundtuch neben den Teller und trocknete sich die Stirne, denn er schwitzte.
»Heiß«, sagte er, »heiß.«
»Gewiß, Durchlaucht.«
Man brachte nun ein Gehügel von Reis, gelb wie die Wüste, und dann, als die Reihe an mich kam und ich eben meine liebe Not hatte, nichts Dummes anzurichten, wo nun die Maske des Fürsten so nahe neben meinem Teller lag, wandte der Fürst sich abermals zu mir, sichtbar erleichtert, nunmehr von anderen Dingen plaudern zu können.
»So«, sagte er, »Sie stammen also aus Weggis-
wil?«
»Gewiß,
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