Bin oder die Reise mach Peking
nicht mehr, daß sie es war, heute wie je, daß wir uns kannten. Maja sagte:
»Sie haben wohl schon viel erlebt?«
»Warum?«
»Sie sind mir gut«, sagte sie –
»Oh!« antwortete ich.
»So sagen Sie mir eines: –«
Es wäre nicht schön, nicht edel, wenn man die Worte, die das Mädchen mir schenkte, wenn man die Frage, die sie mir stellte, noch einmal verschenkte. Genug, wir standen vor dem mondenen Weizen, da sie es wissen wollte. Und wir knackten das unreife Korn zwischen den Zähnen, beide. Es waren Fragen, wie nur die Jugend sie stellt; ihr Mut ist ein wenig beschämend. Man lächelt. Sie weiß nicht einmal das, die Jugend, daß ihre Fragen ja das schönste sind, tiefer als alles, was sich jemals für eine Antwort hält, lebendiger, wahrer … Maja stellte mich plötzlich in ihre großen Augen, ausweglos, als müßte man, nur weil man älter war, die Antwort wissen. »Sagen Sie es offen«, bat sie, »gibt es ein Land, wo all dies möglich ist? Sie sind gereist. Oder sagen Sie es mir, wenn meine Sehnsucht dumm ist – « »O nein!« »Gibt es das?« »Die Sehnsucht ist unser bestes –« »Reden Sie offen!«
»Die Sehnsucht«, sagte ich, »kenne ich wohl –« »Ich frage nach dem Land.«
»Sehen Sie«, sagte ich, »für mich ist es Peking. Sie lachen vielleicht. Am Ende ist es ein Wort, nichts weiter, eine goldene Ahnung, und man sagt mir, die Ahnung sei vollkommen falsch. Peking liege überhaupt nicht am Meer, erstens. Meilen lägen dazwischen, sagt man, und dennoch erschrecken sie mich wenig, diese paar Meilen. Vor kurzem traf ich einen Mann, der schon einmal in Peking gewesen sein will, ich hörte ihm einen Abend lang zu, wie auf die Folter gespannt, denn ich mochte mich nicht verraten, nicht fragen. Er erzählte von Waren, von Seuchen, von Handel und Sitten, von Preisen und Göttern, von Bahnen, von Speisen. Von blauen Vögeln, die darüber kreisen, sagte er kein Wort … Sie lachen vielleicht! Sie sind hier zu Hause, so nahe den Toren und Türmen von Peking, und sicher sind Sie schon öfer in Peking gewesen. Unsereiner aber –«
»Peking?« sagte sie, und sie lachte wirklich.
»Wissen Sie, bester Freund, wie weit es nach
Peking wäre?«
Ich starrte sie an:
»Weit?« fragte ich –
Ein Diener, der sich mit pendelndem Zopfe verbeugte, bat uns zum Tanze, und in der Tat, das Fest war schon munter im Gange … Der Fürst lächelte aus dem bleichen Mond seines fetten Gesichtes … In chinesischen Landen, das wußte ich wohl, galt es durchaus nicht als Schande, wenn einer fett war, im Gegenteil, es war das Zeichen eines vornehmen Mannes schlechthin und war es offenbar ohne Herausforderung, ohne Hohn gegenüber dem Volk, das sich gerne und mit dem Genüsse der Überzeugung davor verbeugte; denn fett sein konnte nur, wer reich war, und reich sein, das war der Punkt, konnte hierzulande nur der Vornehme, der Edle … Der Fürst also lächelte aus dem vollen Mond seines fetten Gesichtes. Es entschwand meinen Blicken indessen sehr bald, indem ich mich, der Sitte nicht ungern gehorchend, ebenfalls verbeugte und in eben dieser Verbeugung, als ich den Gutsherrn reden hörte, beinah erstarrte.
»Dieser da«, sagte der Gastherr, »ist der Erbauer
unseres schlichten Hauses, das die unverdiente
Ehre hat –«
Mir nachtete es vor den Augen.
Das geistlose Fenster, das vor seiner eigenen Leere gähnte, immerzu, die Pflanze, die einfach zu klein war, die entsetzliche Treppe mit dem eitlen Geländer, das nicht aufören wollte … »Maja«, sagte ich, »ich muß dich verlassen.«
»Warum?«
»Noch bin ich. nicht am Ziel –«
»Aber ich denn?«
»Fliehen wir, liebes Mädchen, fliehen wir!«
»Wann?«
»Es ist entsetzlich –«
Es ließ sich, so sehr ich es im ersten Schrecken versuchte, nicht leugnen: es war das Haus, wie es in der Rolle stand, die ich hatte einstellen wollen. Man tanzte darin, man aß darin, man lachte und lächelte, man schlief darin … Alles Fertige, sagt man, alles Fertige hört auf, Behausung unsres Geistes zu sein. Man könnte auch sagen: Ein weises Wort, eine bessere Ausrede … Draußen, als es dämmerte, saß ich noch lange im Mantel einer grauen Enttäuschung, die Hände in den Taschen. So steht es denn da, unser Werk, so steinern und fremd, so eigenmächtig, so ein für allemal. Es sieht dich an, ohne zu nicken, ohne zu lächeln, so, als hätte man sich nie gekannt; ohne zu danken und ohne zu verzeihen. Nachdem man es lange betrachtet und auch die ersten Schrecken überwunden hat, sagt
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