Bin oder die Reise mach Peking
sagte es nicht ohne Wohlwollen.
Ich gehorchte. Es war mir blitzhaf klar: das schwarze Heflein, das ich aus der Brusttasche gezogen, um wieder einmal an Bin zu schreiben, daher der offene Knopf, daher … Ich gehorchte … Immerhin hatte ich das Gefühl, man hätte mich nicht darum allein gerufen; ich wartete also auf das Eigentliche. Ein wenig verlegen sah ich zu, wie der Hauptmann trumpfe, und der junge Leutnant, der den offenen Knopf bemerkt und mich gerufen hatte, mußte seinerseits aufpassen. Trumpf schlug auf Trumpf. Als das Eigentliche nicht eintrat, so daß mir Bedenken kamen, man könnte als unliebsamer Gaffer empfunden werden, machte ich zum Abschied gerade noch einmal eine solche Stellung.
»Halt!« brummte der Hauptmann mit dem erloschenen Stumpen, indem er die Karten schon für eine nächste Runde mischte, »rufen Sie uns das Fräulein, wir möchten zahlen.« Ich gehorchte.
»Fräulein«, sagte ich draußen in der Küche, »die Herren möchten zahlen.«
A m andern Morgen war ich wieder daheim. Rapunzel, die schon am Zug gewartet hatte, empfing mich mit einem entzückenden Frühstück, was man heutzutage durchaus erwähnen darf; es gab Butter und Ei, Schinken und Lachs, Kaffee, Marmelade wie im Märchen. Es war, als hätte Rapunzel schon um alles gewußt, und die Zimmer waren voll Blumen wie immer. Mein Zeug stellte ich sofort in die Ecke, Gewehr, Sack, Helm – »Da bist du ja wieder!« Wir gaben uns einen Kuß. »Und?« fragte ich. »Und?«
Dann fragte ich nach dem Kind. Es schläf. Und Rapunzel erinnerte mich daran, daß ich wohl Hunger hätte.
»Ja, und wie!«
Allein im Zimmer, jedesmal ein wenig benommen, daß man alles das kannte, stand ich da: die Bücher, die wenigen Bilder, die Linde, die immer wieder verdirbt und grünt, und drüben die Truhe, der Heilige aus braunem Sandstein, sein unerschütterliches Lächeln noch immer … Rapunzel summte draußen in der Küche.
»Du«, rief sie, »ich habe immer auf die Karte
gehof, die du mir versprochen hast –«
Ich steckte eine Zigarette an:
»Es war ein elendes Kaff.«
Sonne schien morgendlich durch die Vorhänge. Draußen standen die braunen Astern, in der Wiese lag Laub, der kleine Hügel war gepflügt, die Wälder waren braun wie das Reh, und die Saaten, die man nicht sah, warteten auf den kommenden Schnee. Aber an den Bäumen hing noch das Obst in den silbernen Himmel hinein. Dann löschte ich die Zigarette wieder und nahm das Kind, das erwacht war; ich nahm es auf die Knie, die noch nach Stroh, nach Schweiß und rauchigen Wirtschafen rochen … Wem es gleicht?
Am ehesten, so will mich immer wieder dünken, gleicht es Bin, der uns nach Peking führt – Peking, das ich nie erreichen werde.
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