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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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der Stimme.
    »Hatten Sie, von Ihrem Sturz mal abgesehen, in den letzten ein bis zwei Jahren vermehrt Konzentrationsstörungen? Fühlten Sie sich schlapp und antriebsschwach? Leiden Sie unter Krämpfen und epileptischen Anfällen? Beschweren sich Ihre Frau, Freunde oder Kollegen über ihr zunehmend unsoziales Verhalten ?«
    Rünz verneinte, wider besseres Wissen, was die letzte Frage anging. Wenn solche Vorwürfe seiner Frau ein zuverlässiges Indiz für unheilbare Krankheiten waren, dann stand es schlecht um ihn.
    »Sie sind Polizist , entnehme ich Ihren Unterlagen. Waren Sie jemals in Ihrem Leben über einen längeren Zeitraum petrochemischen Substanzen ausgesetzt, Kraftstoffen, Heizölen, Chemikalien, was auch immer ?«
    »Na ja, Mitte der 80er, da habe ich mal vollgetankt, unten an der ARAL-Tankstelle in der Rheinstraße. Damals war der Sprit noch billig, wissen Sie …«
    Rünz konnte es nicht lassen. Wenn es ernst wurde, fing er an, Faxen zu machen, als könnte er die existenzielle Tragweite der Situation ins Lächerliche transformieren. Der Beau ignorierte seine Witze.
    »Jetzt sagen Sie schon, wie gefährlich ist das Ding ?«
    »Das kann ich Ihnen auf Basis der vorliegenden Untersuchungsergebnisse nicht sagen. Jedenfalls handelt es sich hier höchstwahrscheinlich nicht um eine Metastase eines Primärtumors, der irgendwo in Ihrem Körper schlummert, und gestreut hat die Geschwulst auch nicht. Es gibt ein breites Spektrum bei dieser Form der Gliome, niedrig-maligne, selten aber auch solche, die bösartige Neubildungen hervorrufen. Meist werden Gewebeveränderungen wie diese nur durch Zufallsbefunde diagnostiziert, wie in Ihrem Fall. Ohne Ihren Unfall hätte Sie zeitlebens wahrscheinlich kein Arzt mit diesem Befund konfrontieren müssen. Wenn Sie sichergehen wollen, empfehle ich Ihnen eine feingewebliche Untersuchung. Eine Biopsie.«
    Der Kommissar zuckte zusammen. Die Vorstellung einer Kanüle, die in seinen Schädel eindringt, verursachte ihm Schweißausbrüche. Der Arzt schien seine Reaktion zu registrieren.
    »Das ist weniger brisant, als Sie vielleicht denken. Alles passiert unter Vollnarkose, eine bildgestützte stereotaktische Gewebeentnahme. Die Komplikationsrate liegt bei unter zwei Prozent, und nach drei Tagen haben wir ein belastbares Ergebnis. Lassen Sie uns direkt einen Termin ausmachen .«
    Zwei Prozent klangen eigentlich beruhigend, andererseits lief dann bei jedem 50. Patienten etwas schief. Rünz verkniff sich die Frage, wie viele Patienten sie in den letzten Monaten komplikationsfrei biopsiert hatten. Er schaute aus dem Fenster des Untersuchungszimmers auf die Autokolonnen in der Bismarckstraße und beschloss, das zu tun, was er am besten konnte – die ganze Sache erst mal zu ignorieren. Durch Aussitzen hatte er schon viele Probleme gelöst.
    »Haben Sie mit meiner Frau über die Diagnose gesprochen ?«
    »Dafür bestand bislang kein Anlass, Sie sind bei Bewusstsein und voll zurechnungsfähig. Aber wenn Sie möchten …«
    »Nein, nein, ich mache das. Und wenn ich diese Biopsie nicht machen lasse? Wie stünden dann meine Chancen ?«
    »Die Wahrscheinlichkeit für eine maligne Geschwulst liegt bei rund zehn Prozent. In den nächsten Tagen nehmen wir hier unten im Haus einen Computertomografen der neuesten Generation in Betrieb. Wenn Sie die Gewebeentnahme ablehnen, vereinbaren Sie möglichst bald einen Termin für eine CT. Wir machen eine Präzisionsvermessung des Knotens, das Gleiche in drei Monaten noch mal. Mit einem engmaschigen Monitoring können wir das Wachstum kontrollieren .«
    Rünz schaute ein paar Sekunden betroffen aus dem Fenster. Der Mediziner machte keine weiteren Versuche, ihn zu einer Gewebeprobe zu überreden. Rünz war fast ein wenig enttäuscht, er vermisste bei dem jungen Schönling den aufopferungsvollen Gestus, mit dem Ärzte in Krankenhaus-Soaps beratungsresistenten Patienten ihre Therapievorschläge andienten.
    »Was kann ich sonst noch tun ?« , fragte Rünz.
    »Für Ihre Gesundheit? Das, was wir alle tun sollten. Ernähren Sie sich gesund, bewegen Sie sich. Ihr Leistungsvermögen könnte etwas besser sein für Ihr Alter, fangen Sie mit Sport an. Etwas Schonendes für den Anfang – wie wär’s mit Nordic Walking ?«
    Nordic Walking. Warum nicht gleich Pilates? Der Beau wirkte unruhig, als wäre er in Gedanken schon bei seinem nächsten Termin. Sie verließen gemeinsam das Untersuchungszimmer und verabschiedeten sich. Am Ende des Flurs blieb Rünz stehen und drehte

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