Binärcode
und verwendet dann die ganze Reihe – zwei, drei, fünf, sieben …«, fragte Stadelbauer.
Der Nerd hörte auf zu tippen und drehte sich zu den beiden um.
»Gut aufgepasst, mein Lieber. Jetzt kommt der Kracher. Nach gut 10 000 Bildern taucht auf einmal die zwei auf, nach gut 20 000 die drei, und so geht das weiter, immer im gleichen Abstand. Auch Primzahlen. Aber was ist das Besondere dran? Ich musste mir das aufschreiben, um drauf zu kommen .«
Werner nahm sich einen Edding und schrieb eine Zahlenreihe direkt auf die Tischplatte.
»Verdammt, die Mersenne-Zahlen !« , rief Stadelbauer.
»Bingo! Das Signal schließt jeweils ein Paket von Bildern mit einer Mersenne-Primzahl ab. Und das Verrückte ist – innerhalb eines Bildpaketes ändert sich die Abfolge der Bits von Bild zu Bild kontinuierlich und stetig, aber zwischen dem letzten Bild eines Paketes und dem ersten des nächsten hast du einen richtigen Sprung .«
»Ein Perspektivwechsel.«
»So ist es! Eine Darstellung bewegter Objekte in einem dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystem. Jeweils ein Bildpaket beschreibt die xy-, die zx- und die zy-Ebene. Fertig ist der ›Weiße Hai, Teil 3D‹.«
»Stört es Sie, wenn ich hier einfach ein bisschen herumstehe ?« , fragte Rünz. Er fühlte sich allmählich etwas gekränkt, wie ein Vierjähriger, dessen Eltern über den verbleibenden Verlustvorabzug bei der Steuererklärung diskutierten. Vielleicht sollte er schnell nach Hause fahren und sich einige Waffenzeitschriften zum Schmökern holen.
»Wie viele Mersenne-Zahlen stecken da drin ?«
Der Nerd lehnte sich entspannt zurück und grinste.
»Vergiss es, Jörg, ich habe auf meinem Nachtschränkchen schon ein Plätzchen für die Fields-Medaille freigemacht. Über 10 000.«
Stadelbauer ließ die Kinnlade herunterfallen, setzte sich auf einen Stuhl und schwieg. Rünz gab sich keine Mühe, den beiden zu folgen, die Grenzen seines mathematischen Horizontes waren mit Dreisatz, Pythagoras und Bruchrechnung abgesteckt. Am anderen Ende des Raumes nahm Ken Cheong seine Datenbrille ab, hob den Arm und zeigte mit dem Daumen nach oben.
»O.k .« , sagte Werner. »Geht schon mal in den Cave, da funktioniert die Immersion besser als hier am Bildschirm. Ich bleibe am Terminal .«
Stadelbauer führte Rünz zu einem gläsernen Kubus mit über drei Metern Kantenlänge, die Flächen aus halbtransparentem Milchglas, auf jede der fünf sichtbaren Seiten war ein Projektor gerichtet. Der Kommissar hatte ein Déjà-vu, die ganze Anordnung erinnerte ihn an einen Traum, der mit seinem letzten Fall zu tun hatte, dem toten britischen Kampfpiloten, aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Der Astronom zog eine Seite des Würfels auf wie ein großes Tor, dann betraten beide die Box. Nacheinander glommen die Lichter der Beamer auf und tauchten die Flächen in ein milchig-fahles Licht. Selbst der Boden, auf dem sie standen, leuchtete, irgendwo in der Unterkonstruktion musste ein sechster Projektor versteckt sein. Die Kanten des Kubus verschmolzen vollständig mit den Flächen, Rünz fühlte sich wie in einer gigantischen Dotterblase – eigentlich fehlten nur die beruhigenden mütterlichen Herztöne für die perfekte Regressionshilfe.
»Achtung, jetzt geht’s los !« , rief Werner. »Sind keine Texturen auf die Objekte gemappt, habe nur eine virtuelle Lichtquelle im Zentrum positioniert, also nicht enttäuscht sein .«
Schlagartig wurde es dunkel. Rünz dachte zunächst, die Beamer wären ausgeschaltet, dann sah er 15 oder 20 kleine helle Punkte, die sich langsam ungefähr in Augenhöhe waagerecht um ihn herum bewegten, manche schneller, manche langsamer, so dass einer den anderen überholte. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, nahm er immer mehr mikroskopische Lichtpunkte wahr, ein Strom Tausender Glühwürmchen, der die beiden Betrachter wie eine rotierende Scheibe umgab. Einer der Punkte schien langsamer zu werden und gleichzeitig allmählich an Größe zu gewinnen, verwandelte sich in eine Kugel, wie der Vollmond in eine Licht- und eine Schattenseite geteilt. Die Illusion war perfekt, das Objekt steuerte mit exponentiell wachsender Geschwindigkeit in einer lang gekrümmten Kurve auf die beiden Beobachter zu – Rünz warf sich in letzter Sekunde zu Boden, die Hände über dem Kopf, gottergeben auf eine heftige Kollision wartend. Der Kubus wurde für eine Zehntelsekunde geräuschlos in gleißendes Licht getaucht, dann verließ das Objekt auf
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