Binding, Tim
und dem Sägeblatt dazwischen. Ich hob die Säge wieder
nach vorn, schnitt noch etwas mehr oben vom Kopf ab, sprang dann nach links und
machte mich über die andere Seite her. Es war grob und kantig, aber soll ich
Ihnen was sagen, es sah schon ein bisschen nach einem Kopf aus, irgendwie dünn
und flach vorne, ging dann fließend in den Körper über. Als Nächstes
attackierte ich die Flanken, sodass dicke Scheiben Holz runterfielen, als würde
ich ein Schaf scheren, ließ aber Stücke dran, die wie abstehende Flossen
aussahen. Dann machte ich hinten den ersten Senkrechtschnitt für die
Schwanzflosse. Ich sprang hin und her, tanzte herum, schnitzte und formte, als
wenn es kein Morgen gäbe. Dieser Eumel Hirst wusste nicht, was ihm entging,
wenn er die ganze Schufterei von seinen vielen Assistenten erledigen ließ. Ich
meine, so was kann doch keinen Spaß machen, oder? Das hier dagegen war
fantastisch. Kein Wunder, dass Miss Prosser jedes Mal rot anlief, wenn sie über
den künstlerischen Prozess und die synchrone Verbindung zwischen psychischer
und physischer Intensität redete. Das brachte einen richtig in Fahrt.
Mittendrin reichte Mrs B mir noch eine von ihren selbst
gedrehten Handgranaten und eine Tasse extrastarken Tee mit drei Stückchen
Zucker. Wie sie reingekommen war, keine Ahnung. Vielleicht war sie über den
Zaun geklettert, vielleicht geflogen. Durchaus möglich, denn genau das tat ich
jetzt. So ist das nämlich, wenn du erst mal richtig in Schwung bist, du hebst
ab, aber komplett. Öl nachfüllen, die Kette wechseln, pinkeln gehen, alles
egal, du schwebst ununterbrochen auf Wolke sechs, sieben, acht und neun. Schon
eigenartig. Irgendwann öffnete Michaela die Hintertür, um nachzuschauen, was
los war, aber sie sah nicht aus, als wäre sie in Stimmung, weshalb ich nicht
weiter auf sie achtete, und selbst wenn, weiß ich nicht, ob es mich interessiert
hätte. Ich war ganz woanders. Meine Arme bebten wie Mums Limo-Wackelpudding,
die Sonne brannte mir die Haut vom Rücken, egal, ich rückte meinem Holzfisch
gnadenlos, unbeirrbar zu Leibe.
Und dann war ich fertig. Ich wischte mir das Sägemehl aus
den Augen, trat einen Schritt zurück.
»Und?«, sagte ich zu Mrs B. »Was, glauben Sie, würde
Damien davon halten?«
Sie schwieg einen Moment. Es sah nicht aus wie Torvill, es
sah nicht aus wie Dean. Ich war nicht mal sicher, ob es wie ein Fisch aussah.
Eher wie ein schlecht rasierter Biber mit Größenproblemen. Aber es hatte was,
als würde es jeden Moment ausbrechen und sich auf irgendwas stürzen.
»Meinen Sie, ich sollte ein paar Löcher reinmachen? Damit
er ein bisschen weicher rüberkommt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es ist Ihrer, Al. Nicht Henrys. Nicht Damiens. Ihrer ganz
allein.« Sie reichte mir ihren jüngsten Räucherstab.
»Wir müssen ihn noch bemalen«, sagte ich. »Dann sieht er
ein bisschen mehr wie ein Koi aus, ein Koi mit Format. Aber vorher nehm ich mir
das Maul noch mal schnell mit dem Beil vor. Die Lippen könnten ein bisschen
mehr Botox gebrauchen.«
»Erst kümmern Sie sich aber bitte hier drum.« Sie tätschelte
sich den Bauch. »Ich hab Kohldampf.«
Ich verstand, wie sie sich fühlte. Ich hatte auch Heißhunger
auf irgendwas Leckeres.
»Ich hab genau das Richtige.«
Ich stand auf, ging ins Haus. Meine Beine fühlten sich
ganz komisch an, als würde ich auf einem Ruderboot bergauf gehen. Das kam wohl
vom Kettensägen. Ich wusste, dass ich das nicht tun sollte, aber ich tat es
trotzdem, steuerte schnurstracks auf den Gefrierschrank zu, zog eine von
Carols gigantischen Toblerone-Stangen raus, riss die Verpackung auf. Sie lag
richtig schwer in der Hand, wie ein großer Schraubenschlüssel. Mit so einem
Schokoriegel konnte man erheblichen Schaden anrichten.
Ich ging wieder nach draußen, legte die Toblerone auf den
Tisch, stellte eine Flasche Wodka und zwei Schnapsgläser daneben. Mrs B legte
die Finger an den Mund. Damit hatte sie wahrhaftig nicht gerechnet.
»Ist es das, wofür ich es halte?«
»Hundertpro.«
Sie leckte sich die Lippen. »So ein großes Ding hab ich
echt noch nie gesehen. Wie heißt es?«
»Toblerone.«
»Ich meine mit Kosenamen. So ein Ding sollte einen eigenen
Namen haben.«
Ich nickte. Überraschenderweise war das irgendwie
plausibel.
»Tonto«, sagte ich. »Er heißt Tonto, und ich hab ihn extra
für Sie aufbewahrt.«
»Al!« Sie knuffte mich.
»Ehrlich. Wem soll ich ihn sonst geben? Mrs Rump? Sie
würde ihn wahrscheinlich verhaften lassen. Na los,
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