Bindung und Sucht
Jugendlichen und jungen Erwachsenen
In der heutigen stark medienfokussierten Erlebniswelt von Kindern und Adoleszenten wird die psychische und soziale Entwicklung durch die mobile, digitale Vernetzung vom Gameboy über das internetfähige Smartphone und die Spielkonsole bis zu den multifunktionalen und interaktiven Angeboten im Internet begleitet. Ob zu Hause oder in der Öffentlichkeit, in der Schule, am Ausbildungsplatz oder in der Freizeiteinrichtung – das Internet ist dank neuer Technologien (kostengünstige Flatrates mit hohem Datendurchsatz bei kabelloser Übertragung) immer mit dabei. SchuelerVz, Facebook, Wer-kennt-wen (WKW), World of Warcraft (WoW), League of Legends (LoL), Minecraft oder auch Pokerstars.de – kaum ein Jugendlicher oder junger Erwachsener kommt heute um die favorisierten sozialen Netzwerke oder Spiel- und Entertainmentangebote im Internet herum, wenn er zeitgemäß leben will.
Häufigkeit der Internetnutzung und Art der verwendeten Spiele, Medien
Die hohen und weiter steigenden Nutzungsfrequenzen in der Altersklasse zwischen 14 und 29 Jahre lassen darauf schließen, dass sich besonders junge Menschen an den Gebrauch von neuen Medien zur Freizeitgestaltung, Sozialpflege und Unterhaltung gewöhnen. Gut 95 % der jungen Menschen zwischen 14 und 19 nutzen das Internet laut der ARD/ZDF-Onlinestudie im Jahr 2009 (Van Eimeren & Frees 2009) – vor zehn Jahren waren es nur halb so viele (48,5 %). Besonders private Netzwerke, die sogenannten Social Networking Sites, werden in dieser Altersgruppe von fast 80 % der Nutzer regelmäßig aufgesucht. Die Möglichkeit, 24 Stunden am Tag mit Freunden und Bekannten vernetzt zu sein, mitzuteilen, was gemacht, gefühlt und gedacht wird, übt scheinbar einen großen Reiz auf die junge Generation aus. Doch auch Personen jenseits der 30 nutzen soziale Netzwerke und das Internet intensiv. Durch die Möglichkeit, das Internet auch auf mobile Geräte, wie z. B. Smartphones, zu laden und somit an jedem beliebigen Ort seine »accounts« zur Verfügung zu haben, findet diese Form der»Sozialpflege« neuerdings auch in der Schule, am Ausbildungs- und am Arbeitsplatz statt. Gerade die Förderung der Partizipation und aktiven Mitgestaltung am Internetgeschehen durch das Web 2.0, das einfach und schnell die Möglichkeit bietet, seine eigene Meinung, Fotos und Videos einzustellen und auch sonstige Inhalte mit zu gestalten, zieht viele Menschen in den Bann des Internets.
Neben den Social Networking Sites sind es vor allem Online-Rollenspiele, die soziale Kommunikation und intensives Spielerleben miteinander verknüpfen und so eine Vielzahl von jugendlichen Spielern anziehen. Das Angebot der Online-Rollenspiele bietet die Möglichkeit, sich im Internet und vor den Augen einer scheinbar immer empathischen virtuellen Community auszuprobieren und bei einer exzessiven bis suchtartigen Nutzung in den zumeist martialischen Fantasy-Welten der Spiele, wie z. B. World of Warcraft, buchstäblich »zu verschwinden«. Seitdem diese grafisch hochauflösenden, komplexen Computerspiele über das Internet einfach und breit verfügbar sind, lässt sich auch in klinischen Fachkreisen ein wachsendes Interesse an den Auswirkungen von Computerspielen und der Internetnutzung beobachten. Als eine negative Folge dieser exzessiven Nutzung wird die Internet- und Computerspielsucht mittlerweile als ein eigenständiger psychopathologischer Symptomkomplex diskutiert (Wölfling et al., 2008). Auslösend ist die Zunahme an Fallzahlen von vor allem Jugendlichen und jungen Erwachsenen Computerspielern, die wegen suchtartiger Symptombeschwerden die verschiedenen Anlaufpunkte des Suchtkrankenhilfesystems sowie ambulante psychiatrische oder psychotherapeutische Praxen aufsuchen (vgl. Wessel et al., 2009). Virtuelle Beziehungen nehmen bei exzessiver Nutzung massiv an Bedeutung zu und ersetzen – unmerklich für den Betroffenen – reale Bindungs- und Beziehungsmuster. Kommt es im Verlauf von exzessivem Internetnutzungsverhalten zu solch eskapistisch anmutendem sozialen Rückzugsverhalten, sind häufig suchtähnliche Phänomene auf der psychischen, sozialen und physischen Ebene die Folge. Die virtuelle (Schein-) Welt hat Macht über ihre Nutzer in der Form gewonnen, dass die reale Welt und die zunehmende realweltliche Problemlage für den Spieler mehr und mehr in den Hintergrund tritt. Der Tunnelblick vor dem Monitor, die unendlichen mystisch wirkenden Märchenwelten, die nicht pausierbare Parallelwelt und
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