Bindung und Sucht
zwanghaften Gebrauch und Entzugserscheinungen ab. Die Compulsive Internet Use Scale (CIUS, Meerkerk et al. 2009) wurde aus bereits vorhandenen Screening- und Diagnoseinstrumenten (wie Internet Addiction Test; IAT, Young 1998; Generalized Problematic Internet Scale, GPIUS, Caplan 2002; Internet Addiction Scale, IAS, Nichols & Nicki 2004 & Online Cognition Scale, OCS, Davis et al. 2002) zusammengestellt. Der gewählte Begriff »compulsive« erklärt sich aus der Annahme der Autoren, dass nicht das Internet selbst den pathologischen Gebrauch bedinge, sondern nur bestimmte Anwendungen im Internet zu zwanghaftem Verhalten führen. Die Items der Skala lassen jedoch eher auf einen Bezug zu den DSM-IV-Kriterien für Substanzabhängigkeit bzw. pathologisches Spielen schließen, nicht jedoch auf Symptome aus dem Spektrum der Zwangsstörungen.
Die mit 14 Items vergleichsweise ökonomische, eindimensionale CIUS wurde in drei sukzessiven Studien einer konstrukt- und kriterienbezogenen Validierung unterzogen (Meerkerk et al. 2009). Hierbei wurden über 18 000 Menschen zu ihrem Internetgebrauch befragt. Die Ergebnisse zur Reliabilität und Validität der Skala waren sehr gut. Es steht jedoch eine Validierung der Skala bei Personen mit klinisch relevantem pathologischem Internetgebrauch aus. Eine validierte deutsche Version liegt bisher noch nicht vor. Die Skala zum Computerspielverhalten (CSV-S; Wölfling et al. 2011) stellt ein klinisch-diagnostisches Instrument zur Klassifikation des gezeigten Computerspielverhaltens in die Kategorien unauffällig, problematisch und suchtartig (missbräuchlich bzw. abhängig) dar. Zusätzlich zum hauptsächlich in diesem Bogen fokussierten Computerspielverhalten kann mittels der Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSV-S) die Nutzungshäufigkeit von acht verschiedenen Internetanwendungen (z. B. Erotikangebote, Einkaufsportale, Online-Glücksspiele, Social Networks) erfasst werden. Die OSV-S ist inhaltlich an der Klassifikation substanzgebundener Abhängigkeitserkrankungen (z. B. Craving, Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, Toleranzentwicklung und Fortführung des Konsums trotz negativer Folgen) orientiert. In ersten Validierungsuntersuchungen konnten die Reliabilität (Interne Konsistenz .88) und die Validität auf faktorieller Ebene beider Instrumente belegt werden (vgl. Müller & Wölfling 2010; Beutel et al. 2011 b; Müller et al., eingereicht).
In der internationalen Forschungsliteratur zum Thema »exzessive bzw. suchtartige Internet- und Computerspielnutzung« existieren bisher nur Prävalenzschätzungen, die auf nicht-standardisierten Operationalisierungen des Symptomkomplexes basieren und daher teilweise zu weit divergierenden Ergebnissen führen, wobei die angegebenen Prävalenzraten problematischer bis pathologischer Nutzung zwischen 2,5 und 13 % schwanken (für einen Überblick vgl. Shaw & Black 2008; Wölfling et al. 2009). In verschiedenen Studien aus dem deutschsprachigen Raum zeigt sich, dass der Anteil an Jugendlichen, die als pathologische Computerspieler klassifiziert werden, in etwa zwischen 3 und 5 % variiert (beispielsweise van Egmond-Fröhlich et al. 2007; Wölfling et al. 2008; Rehbein et al. 2009; Batthyány et al. 2009; Beutel et al. 2011 a). Aktuelle deutsche Prävalenzzahlen zur Häufigkeit von Internetabhängigkeit bzw. Internetsucht in der Altersgruppe der 14- bis 64-Jährigen liefern Rumpf et al. (2011). Die Autoren stufen im Rahmen ihrer repräsentativen Erhebung 1,5 % der 14- bis 64-jährigen Deutschen (Studie »Prävalenz der Internetabhängigkeit, PINTA I«, der Universität Lübeck und der Universität Greifswald) als internetabhängig ein. Weitere 4,6 % dieser Altersgruppe werden als problematische Internetnutzer angesehen. Die höhere Vulnerabilität für die Entwicklung einer psychischen Störung in der Altersspanne der Adoleszenz lässt sich auch an diesen erhöhten Prävalenzzahlen ablesen: In der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen ist die Verbreitung von Internetsucht in Deutschland am größten. Die Autoren klassifizieren 2,4 % als abhängige und 13,6 % als problematische Internetnutzer (Rumpf et al. 2011).
Grundsätzlich sollten die häufig als Punktprävalenz erhobenen Daten zur Pathologie mittels Forschungsdesigns, die als längsschnittliche Untersuchungen ausgelegt sind, überprüft werden. In einer ersten derartigen Untersuchung zur Computerspielsucht konnten Gentile und Kollegen (2011) zeigen, dass der Anteil der Personen, bei denen die zuvor
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