Bindung und Sucht
ging. Die therapeutische Versorgung wurde dann im Rahmen einer ambulanten Therapie intensiviert, so dass ein langsamer, vorsichtiger Bindungsaufbau zwischen Mutter und pädagogischem Personal entwickelt werden konnte, der dann auch zu einem feinfühligeren Umgang der Mutter mit dem Baby führte und positive Folgen für ihre Interaktionen mit dem Baby hatte. Durch ein positives Videofeedback und ein Feinfühligkeitstraining mit Ilona, wie es das pädagogische Personal in dem SAFE®-Spezial-Kurs für Mitarbeiterinnen von Mutter-Kind-Heimen gelernt hatte, konnten diese positiven Interaktionen mit ihrem Säugling bekräftigt und noch verstärkt werden.
Ilona hatte kein gutes Selbstwertgefühl, sie wertete sich oft ab, hielt sich für zu nichts fähig. Dies hinderte sie auch, sich in positiven Verhaltensweisen mit ihrem Baby als eine gute Mutter wahrzunehmen. Rasch fühlte sie sich komplett überfordert,sah sich sowieso als Verliererin, unfähig, etwas konstant und verlässlich zu tun, so dass es auf dieser Basis – dem Fehlen eines Selbstwertgefühls – auch schwierig war, eine Repräsentation als kompetente Mutter aufzubauen. Dies konnte sich durch den direkten feinfühligen Umgang und Kontakt der pädagogischen Mitarbeiterinnen mit ihr sowie auch durch die Verarbeitung von stressvollen Erfahrungen in ihrer Therapie entwickeln.
Die bindungsorientierte Therapie mit Säuglingen und Kleinkindern
Schon ein Säugling kann sehr früh adipös werden, wenn die Mutter unfeinfühlig mit ihm umgeht und auf seine Stresssignale und sein Weinen – egal, ob dies aufgrund von Hunger, Angst, Wut, Einsamkeit oder Langeweile erfolgt – immer monoton mit Stillen oder Füttern reagiert. Wir sehen häufig Mütter, die aufgrund ihrer eigenen Empathiestörungen nicht in der Lage sind, das Weinen eines Säuglings differenziert zu entschlüsseln und darauf zu antworten. Sie »verwöhnen« ihr Kind, indem sie auf sein Weinen stets mit dem Angebot von Nahrung reagieren. Sehr schnell lernen die Säuglinge dadurch, dass ihr geäußerter Stress regelmäßig mit einem Nahrungsangebot beantwortet wird, und fordern dies dann auch in stressvollen Situationen immer mehr ein. Das ist genau die Situation, wo ein Säugling von außen betrachtet als verwöhnt erscheint, weil er, wie es aussieht, immer Nahrung einfordert, wenn er unzufrieden ist, und sich scheinbar nur durch diese beruhigen lässt. Später werden solche Kinder – teils bereits im ersten Lebensjahr – außer mit Nahrungsmitteln im Kleinkindalter auch mit Internet- und Videoaufnahmen »gefüttert«, so dass sie das Essen mit Fernsehen und dem Anschauen von Videos assoziieren. Im Kindergarten- und Grundschulalter führt dies klassischerweise dazu, dass Kinder während des Medienkonsums hyperkalorische Mengen von Nahrungsmitteln konsumieren. Oft haben die Mütter und Väter dieser Kinder eine Suchterkrankung, so dass sie aufgrund der fehlenden eigenen Erfahrungen nicht in der Lage sind, die Signale, besonders die Stresssignale des Säuglings oder Kleinkindes, zu differenzieren. Statt eines Bindungsangebotes bieten sie dann Suchtmittel wie z. B. Essen, aber auch Medienkonsum an.
Auch hier ist eine intensive Bindungsarbeit mit den Eltern notwendig – sowohl mit der Mutter als auch dem Vater, sofern es überhaupt anwesende, verfügbare Väter gibt –, damit über die Erfahrung von Feinfühligkeit in der Therapie die Mentalisierungsfähigkeiten des Elternteiles wachsen können, so dass er diese dann auch auf die Interaktionen mit dem eigenen Kind zu übertragen und anzuwenden vermag.
Therapiebeispiel Sebastian
Sebastian war drei Jahre alt und spielte bereits viele Stunden am Tag Gameboy. Er hatte hierin bereits eine große Perfektion erreicht. Er spielte sozusagen »in allen Lebenslagen« und »zu jeder Tages- und Nachtzeit« ganz intensiv mit dem Gameboy, geradezu »süchtig«, und tat dies zur Selbstberuhigung, wenn er besonders gestresst war, Angst hatte, wütend war oder sich einsam und verlassen fühlte. Das Gameboyspielen hatte auch zu einer deutlichen Störung der Eltern-Kind-Beziehung geführt, und die Eltern hatten oft mit Härte und Strenge reagiert, den Gameboy weggeschlossen oder Sebastian gezüchtigt. Die kindlichen Bedürfnisse, die hinter dem exzessiven Gameboyspiel standen, das bereits alle Zeichen einer Suchtproblematik trug, konnten von den Eltern nicht mehr wahrgenommen werden. Gelegentlich spielten auch Vater und Sohn gemeinsam am Computer oder mit dem Gameboy, so dass
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