Bindung und Sucht
zu festigen. (Erickson & Egeland 2006; Kißgen & Suess 2005).
Auf entwicklungspsychologische, ebenfalls videogestütze bindungsorientierte Beratung für (alle) junge(n) Eltern zielt das Programm von Ziegenhain et al. (2006).
Ebenfalls aus den USA kommt die evidenzbasierte bindungsorientierte Intervention »Kreis der Sicherheit« (Circle of security) von Marvin und Kollegen (2002). Sie wird als Elterngruppenprogramm über 6 Monate durchgeführt. Dabei werden Alltagssituationen mit Mutter und Kind videographiert und anschließend in der Kleingruppe besprochen. Im Fokus steht dabei die Verbesserung von Feinfühligkeit und reflexiven Funktionen bei den Eltern (-teilen).
Spezifische Programme für suchtbelastete Mütter und ihre Kinder finden sich in der internationalen Literatur erst ab dem Krabbelalter, z. B. das »Mothers and Toddlers Program« (MTP) von Suchman et al. (2010 b), eine 20-wöchige Einzeltherapie drogenabhängiger Mütter mit dem Ziel der Verbesserung reflexiver Funktionen bei den Müttern. Suchman et al. (2006) favorisieren ein stationäres halbjähriges Behandlungsmodell, bei dem in einem Intensivsetting vier Therapeutinnen bzw. Therapeuten und acht Betreuerinnen im Schichtdienst jeweils fünf Mutter-Kind-Dyaden in einem drogenfreien und ressourcenorientierten Wohnumfeld behandeln.
Auf der Klientenseite sind ausreichende Fürsorge, die Sicherheit des Kindes und eine basale Kooperation und Problemeinsicht bei der Mutter erforderlich. In der (In-) Stabilität des Betreuungssystems liegt in der Regel der begrenzende Faktor für den Erhalt der Mutter-Kind-Dyade, d. h. wenn das Betreuungssystem instabil ist, kann die Mutter-Kind-Dyade auf lange Sicht nicht erhalten werden, das Kind wird herausgenommen. Wir dürfen nicht verkennen, dass die Arbeit mit Klientinnen mit Drogenproblematik und ihren Kindern durchaus frustrierend sein kann. Trotz aller professionellen psychosozialen Kompetenzen können wir nicht immer verhindern, dass die Mutter-Kind-Beziehungen früh scheitern, dass aufgrund der geforderten hohen Frustrationstoleranz bei der Pflege eines oft anstrengenden Kinds und der Gestaltung der Beziehung zu ihm die Mütter nicht selten zu dem Beziehungssubstitut Opiat zurückkehren, das leichter und schneller ein – wenn auch nur vorübergehendes – Gefühl von Sicherheit, Zufriedenheit und Beruhigung erzeugt, verglichen mit den in der real gelebten Beziehung zum Kind ausgeschütteten Endorphinen.
Diskussion
Die Ergebnisse der hier dargestellten Studie zeigen, wie stark die Säuglinge drogenabhängiger und substituierter Mütter vom Beginn ihres Lebens an gefährdet sind. Sie sind nicht nur dem Risiko eines transplazentaren Schadens durch den Drogengebrauch, speziell den Beikonsum ausgesetzt, sondern insbesondere auch durch Stresshormone als Langzeiteffekt auf die kindliche Hirnstruktur. Wir haben starke Hinweise, dass mütterlicher Stress in der Schwangerschaft ebenso wie nichtresponsives, übergriffiges oder vernachlässigendes Verhalten der Mutter im ersten Lebensjahr beim Baby eine schwach ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstregulation bewirkt (Wurmser 2007). Die Effekte des Oszillierens zwischen Verhaltensextremen können zu einem zusätzlich beeinträchtigenden Faktor werden: Ohne Drogen oder auf Entzug sind die Mütter oft überaktiv bis intrusiv ihrem Baby gegenüber, während sie sich unter Drogeneinfluss nicht-responsiv und wenig feinfühlig verhalten.
Dadurch kann das Baby keinen konsistenten Erwartungshorizont aufbauen, den es jedoch zum Aufbau einer jeglichen Bindungsstrategie benötigt. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Cortisol-Ausschüttung, wodurch die Hirnentwicklung negativ beeinflusst wird.
Alle diese Risiken begünstigen die Ausprägung einer desorganisierten Bindungsstruktur, die ihrerseits wieder das Risiko der »Selbstmedikation« mit Cannabis und/oder Opiaten in sich birgt (»calm down and get a kick at the same time«). Die drogenabhängigen und substituierten Mütter sind in zwei zusätzlichen Aspekten besonders: Erstens weisen sie möglicherweise eine genetische oder als Traumafolge erworbene Prädisposition für eine Dysfunktion der eigenen Erregungsregulierung auf, die es wahrscheinlich macht, dass Drogen als Hilfe zur Beruhigung oder Stimulation genommen werden. Zweitens: Wenn Eltern selbst schlecht reguliert sind, kann man kaum von ihnen erwarten, dass sie in der Angelegenheit gute Lehrer für ihre Babys sind. Daher benötigen sie selbst Hilfe und Anleitung zur
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