Bindung und Sucht
1999). In beiden Verfahren zeigten sich hochsignifikante Unterschiede zuungunsten der Mutter-Kind-Dyaden mit Drogenproblematik. Beide Maße weisen darauf hin, dass die Funktionsfähigkeit der Dyade im Hinblick auf eine ungestörte und freie Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung – und damit des Kindes – bei den Klientinnen mit Drogenproblematik erheblich gestört ist.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Studie belegt, dass durch den Drogenkonsum der Mutter belastete Mutter-Säuglings-Dyaden ein hohes Risiko für einen gestörten Bindungsaufbau und für eine ungünstige Entwicklung des Selbst- und Beziehungskonzeptes beim Kind, aber auch bei der Mutter aufweisen. Im Einzelnen kommen folgende Aspekte zum Tragen:
Die Kinder der Klientinnen mit Drogenproblematik können sich schlechter regulieren als die Kontrollkinder, sind irritabler und tendenziell taktil überempfindlich. Auf dem Hintergrund der praktisch immer schon vor und während der Schwangerschaft bestehenden chronischen Stressbelastung der Mütter war dies zu erwarten. Es mehren sich die Forschungsergebnisse, die eine Selbstregulationsschwäche des Kindes bei Stress der Mutter in der Schwangerschaft belegen, wahrscheinlich durch Stresshormone wie Cortisol vermittelt (Wurmser 2007), aber auch durch die direkte Opiatwirkung.
Die Mütter tendieren zur Überregulierung, zum Nicht-Wahrnehmen der Bedürfnisse des Kindes; dies verstärkt den bereits auf physiologischer Ebene etablierten Teufelskreis.
Die Mütter empfinden geringere Freude an ihrem Kind, mehr Ängstlichkeit und Unsicherheit in der Beziehungsgestaltung.
Sie sehen sich gegenüber der Kontrollgruppe signifikant als depressiver, auf dem Hintergrund einer eigenen unsicheren Bindungsrepräsentation, es finden sich gehäuft Schuldgefühle, z. B. wegen der eigenen Drogenproblematik.
Dies könnte zu weniger feinfühligem Verhalten der Mütter beitragen, so dass eine kontingente Abstimmung erschwert wäre.
Das vergleichsweise geringe Selbstvertrauen der Mütter zeigt sich zusätzlich in kompensatorischer Überfürsorge, rigiden Erziehungs-/Beziehungsvorstellungen und einer erhöhten Tendenz zum Strafen.
Gleichzeitig werden große, teils überwertige Hoffnungen an das Kind und an die neue Lebensphase geknüpft (»Christkind«-Metapher); das birgt die Gefahr der Rollenumkehr von Mutter und Kind. Gerade in dieser Heilserwartung liegen sowohl große Chancen als auch Risiken, die bei der Erörterung der Hilfemöglichkeiten genutzt bzw. bedacht werden müssen.
Wie müssen effektive Hilfsangebote beschaffen sein?
Helfende Beziehung
Die Mutter-Kind-Beziehung entwickelt sich in einem dynamischen Anpassungsprozess als eine funktionelle Einheit. Unterstützt wird sie durch zirkuläre Rückkopplungssignale: Auf Seiten des Kindes sind Aussehen, Blickkontakt, Vokalisationen und soziales Lächeln unterstützende und stabilisierende Faktoren. Bei der Mutter erweisen sich Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und emotionale Verfügbarkeit als Schlüsselfaktoren für gelingende Regulationsprozesse (vgl. Fries 2001). Diese Erkenntnis verdeutlicht, dass der Dreh- und Angelpunkt für eine gute Entwicklung in der emotionalen und psychosozialen Unterstützung sowie der bindungsorientierten Begleitung der Mutter liegt. Bei den drogenabhängigen Müttern ist die Übertragungsbereitschaft der »Mutterschaftskonstellation« (Stern 2006) offensichtlich mehr als bei den Müttern der Kontrollgruppe wirksam und vulnerabel. Es geht dabei um die triadische Bezogenheit von Mutter, Kind und einer Großmutter-Figur. Damit erscheint ein therapeutisch-pädagogisches Bündnis, das diese »Gute-Großmutter-Übertragung« annimmt, für die drogenabhängigen Mütter als besonders sinnvoll.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Frühförderung sowie Helfer und Helferinnen in der Suchtarbeit sollten die mit dieser spezifischen Übertragungsform verbundenen Wünsche nach direkter und emotional getönter Beziehung, Nähe und Akzeptanz in der Mutterrolle wahrnehmen, als adäquat bewerten und reflektiert erfüllen. Die Arbeitsbeziehung zur Mutter-Kind-Dyade kann auf diese Weise situationsadäquat und ressourcenfördernd gestaltet werden. Dieses Konzept wurde beispielsweise in der Düsseldorfer Drogenambulanz und bei einigen anderen Stellen, mit denen wir kooperierten, verwirklicht. Damit verbessert sich die Chance der Mutter, dass diese erste Beziehungsphase zum Kind gelingen kann. In der Drogenberatung erleben wir – auf dem Hintergrund der oft
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