Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
darum, nutzbare Pflanzen weltweit zu finden und zu kultivieren oder Ressourcen schlichtweg auszubeuten. Dies begann bei den Mammuts und anderen Großsäugetieren der Nacheiszeit und setzte sich fort bis hin zum weltweiten Handel mit Tee, Muskatnüssen und anderen aus europäischer Sicht exotischen Gütern, die den internationalen Warenverkehr begründeten, wie wir ihn heute kennen. Er war damit auch der eigentliche Grund für das Aussterben des Dodos, denn er sorgte dafür, dass Schiffe auf dem Weg nach Asien auf Mauritius Station machten.
Die Erforschung der Natur durch die Handelsreisenden hat aber auch dazu geführt, dass wir die Natur als Forschungsgegenstand heute anders sehen. Wir können Vorgänge im Kleinen verstehen, beeinflussen und nutzen, wie etwa die Photosynthese zur Nahrungsmittelproduktion oder die Filterwirkung eines Waldgebietes zur Trinkwassergewinnung. Mehr und mehr verstehenwir aber auch die regionalen und globalen Zusammenhänge zwischen dem Zustand der Natur, ihren Leistungen für den Menschen und welche enge Verbindung zwischen ökonomischer Entwicklung und ökologischen Grundlagen unseres Lebens und Wohlbefindens besteht. Der Gegensatz von Ökonomie und Ökologie der uns umgebenden Natur beginnt sich dabei mehr und mehr aufzulösen. Natur wird als das begriffen, was sie eigentlich ist: Grundlage und zugleich Grenze allen Wirtschaftens. Die Wertschätzung der Natur steigt.
Als ich damit begann, mich in meinem Studium mit biologischer Vielfalt zu beschäftigen, war ich gleich doppelt fasziniert. Einerseits von der Natur und ihrer Vielfalt an Daseinsformen, Netzwerken und Funktionen und davon, wie es gelingen kann, all dies zu erfassen, zu kategorisieren und zu verstehen. Andererseits war ich beeindruckt von der riesigen Vielfalt an Wissen, das wir bereits über Natur und Biodiversität besitzen. Und warum wir dieses Wissen so schlecht zu nutzen scheinen, um die Natur für den Menschen dauerhaft nutzbar zu halten und sie damit gleichzeitig zu erhalten. Mich faszinierten die Erkenntnisse darüber, wie die Natur funktioniert und in welcher Vielfalt der Mensch damit umgeht, sie nutzt und sie eben auch zerstört. Was mich verblüffte, wobei sicherlich ein Schuss Naivität eine Rolle spielte, war die Tatsache, wie wenig dieses Wissen mit dem Wissen über den Menschen verbunden war, seine Gesellschaften und sein ökonomisches Handeln.
Wenn es einen Forschungszweig gibt, der sich in den letzten zwanzig Jahren am stärksten weiterentwickelt hat und der vielleicht über den Zukunftsweg der Menschheit mit entscheiden wird, dann ist es gerade eine solche Forschung, die ökologische mit gesellschaftlich-ökonomischen Erkenntnissen verbindet. Und die Erforschung der Biodiversität, unserer Lebensgrundlage und damit auch wertvollsten Ressource, ist ein wesentlicher Teil davon.
Den Hintergrund bildet etwas, was jeden von uns persönlich betrifft: Wir alle nutzen die Natur mehr oder weniger bewusst für unsere ökonomische Situation und unser Wohlergehen. Wenn wir im eigenen Garten Salat anbauen und ihn mit Insektiziden vor Mitessern schützen ebenso, wie wenn wir uns alle fünfzehn Monate ein neues Mobiltelefon zulegen, für dessen Herstellung große Massen an Natur bewegt und genutzt wurden. Die Komplexität, die diese Beziehung zwischen sieben Milliarden einzelnen Menschen zur Natur, ihrer Gesamtwirkung als Menschheit auf den einen Planeten, auf dem wir leben, und seinen Abermillionen an Arten und Aberbillionen an Individuen besitzt, ruft Emotionen hervor. Denn es fasziniert, verängstigt und frustriert zugleich, wenn man sich auch nur kleine Einzelaspekte dieser Beziehung näher anschaut. Doch unsere Beziehung zur Natur muss auch eine stark rationale sein, denn sie ist der nullte Sektor unseres Wirtschaftens, die Grundlage für Agrarproduktion im primären, Industrieproduktion im sekundären und Dienstleistungen im tertiären Sektor der Wirtschaft.
Faszination und rationales Verständnis gehen bei der Erforschung und beim Umgang mit der Natur sehr häufig eine enge Verbindung ein. Ein belgischer Kollege, selbst ausgebildeter Biologe, fragte einmal auf einer Tagung europäische Kolleginnen und Kollegen, was der ursprüngliche Grund gewesen sei, weswegen sie sich in ihrer Ausbildung und später im Berufsleben mit der Natur beschäftigten. Zunächst fielen die Antworten sehr vielfältig aus. Eine französische Kollegin nannte die Filme von Jacques Cousteau über die Ozeane, andere erwähnten den
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