Biohacking - Gentechnik aus der Garage
entwickelte sich wieder ein Bewusstsein, dass Produkte, die es zu kaufen gibt, deshalb noch nicht unbedingt fertig sein müssen, sondern vom Benutzer verändert und verbessert werden können – wenn man erst einmal verstanden hat, wie sie funktionieren. Hardware-Hacking hieß dieser Ansatz bald, obgleich er mindestens so alt ist wie die Idee, dass man ein gekauftes Kleid mit Schere, Nadel, Faden und ein bisschen Ahnung auch selber kürzer machen kann.
Zudem waren bereits andere Forschungsfelder von Amateuren infiltriert worden. Das fing bei der Archäologie an und hörte bei der Suche nach außerirdischem Leben noch lange nicht auf (siehe Kapitel 5).
Nicht nur die Medien interessierten sich sofort dafür, was Amateure so mit Erbgut in improvisierten Laboren anstellen können. Nur ein Jahr nachdem Mac die Website DIYbio.org ins Leben gerufen hatte, begann die amerikanische Bundespolizei FBI, Treffen mit den Biohackern zu organisieren, die von Jahr zu Jahr größer wurden. Während wir darauf warten, dass unsere Gene durch das Gel-Sieb wandern, diskutieren Mac und Kay, ob es wohl eine gute Idee wäre, einmal die Akten einsehen zu wollen, die das FBI wahrscheinlich über sie angelegt hat. Und sie fragen sich, wie viele der inzwischenüber 2000 Mitglieder der DIY-Bio-Mailingliste wohl von Steuergeldern bezahlt werden, damit sie das Treiben dort im Blick behalten. Sie diskutieren das Thema so nüchtern, dass wir uns fragen, ob sie uns gerade veräppeln wollen. Aber Mac erklärt: „Diese Leute machen sich bei allen Treffen immer viele Notizen. Niemand weiß, was sie da aufschreiben, aber natürlich wandern die in irgendeine Akte.“
Ob ihre E-Mail-Konten überwacht werden? Und wir damit inzwischen auch ins Blickfeld der Fahnder geraten sind? Während noch ein Schauder unsere Rücken hinunterläuft, hören wir Mac fluchen. Er steht an der Gel-Elektrophorese und schaut verzweifelt. „Wir müssen es morgen noch einmal versuchen.“ Er habe die Elektroden falsch herum angeschlossen, die Proben sind in die falsche Richtung gewandert und aus dem Gel herausgerutscht. Alle unsere Copy-Gene schwimmen jetzt in einem Pufferbad, und kein gesalzener Kontaktlinsenreiniger-Schnaps der Welt kriegt sie dort wieder heraus. Der Farbstoff immerhin zieht hübsche blaue Schlieren in der Flüssigkeit, in der das Gel badet.
Um es vorwegzunehmen: Niemand hat an diesem Wochenende einen anderen Blick auf sein eigenes Erbgut erhascht als jenen, den der weiße Glibber aus dem Schnapsglas ermöglicht hatte. Vielleicht sind die Unterschiede zwischen Amateuren und Profis doch größer, als mancher wahrhaben mag.
Ob dieser Gedanke uns selbst eher ermutigt oder verzweifeln lässt, wissen wir in diesem Moment nicht genau. Sind wir eigentlich Amateure oder Profis? Jeder von uns hat zumindest in grauer Vorzeit ein Biologiestudium hinter sich gebracht, der eine eher klassisch, der andere eher modern. Außerdem schreiben wir regelmäßig über Biotech-Themen, der eine nur ab und zu, der andere ständig. Labors von innen gesehen allerdings haben wir seit Jahren höchstens als Besucher. Sind wir totale, chancenlose Amateure, oder doch zumindest ein bisschen reaktivierte Profis, denen in der DIY-Biologie vielleicht doch einiges gelingen kann? Wir werden die Antwort bald erfahren.
Katherine „Kay“ Aull ist, wie viele der DIY-Bio-Pioniere, alles andere als eine Amateurin. Am MIT hatte sie sich zur Bioingenieurin ausbilden lassen und dieses Studium mit einem Nacht-Job in einem Biotech-Unternehmen finanziert, das künstliche Gene herstellt.
Kay ist so groß, dass sie nicht so recht zu wissen scheint, wohin mit ihren langen, dünnen Gliedmaßen, aber wenn sie spricht, dann schwingt in ihrer Stimme trotz geringer Dezibel-Werte das Selbstbewusstsein eines Menschen mit, der üblicherweise recht hat mit dem, was er sagt. Mit diesem Selbstbewusstsein entschied sie sich auch, ihr eigenes Labor in ihrem Kleiderschrank einzurichten. Wo andere Leute T-Shirts stapeln, da hat die heute 27-Jährige einen Genkopierer stehen, den sie für 90 Dollar bei Ebay ersteigert hat, und noch jede Menge andere Laborausrüstung, vor allem improvisierte: einen Reiskocher, zu einer Destilliermaschine für Wasser umgebaut zum Beispiel, oder einen Leuchttisch, der Erbgut sichtbar macht und aus blauen Weihnachtsdeko-Lichtern gebastelt ist.
Als wir Kay treffen, liegt ihr Experiment schon eine Weile zurück, doch ihr Schranklabor hat sie noch immer, für neue Versuche und Analysen.
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