Biohacking - Gentechnik aus der Garage
miteinander verbindet. An dunklen Holztischen bei schwerem Bier schmiedete die Gesellschaft der Hobbybiologen Pläne für gemeinsame Forschungsprojekte. Nach ein paar mehr Bieren tüftelte man bereits an Konstruktionsplänen für Laborgeräte. Es herrschte Aufbruchsstimmung.
Etwa in dieser Zeit richteten Bobe und Cowell auch die Website DIYbio.org samt Mailingliste ein. Sie ist bis heute die erste Anlaufadresse für Biohacker aus aller Welt.
Neun Teilnehmer zählt Mac an diesem Aprilmorgen im Sprout. Ein Vater samt Sohn und Tochter sind gekommen, drei Mädchen im Highschool-Alter sowie drei Journalisten. Mac stellt eine braune Papiertüte auf den Tisch und fängt an auszupacken: Spülmittel, Salz, Kontaktlinsenreiniger, kleine Plastikbecher von der Größe eines Schnapsglases, Zahnstocher und eine Flasche braunen Rum mit 75,5 Volumenprozent Alkohol. „Jetzt extrahieren wir unsere DNA in einem Schnapsglas“, sagt Mac und verteilt die Einwegplastikbecherchen. Die nächsten Minuten sitzt die Gruppe im Kreis und versucht, ihre Speicheldrüsen zur Massenproduktion anzuregen und das Sekret möglichst manierlich in den Behälter abzusondern. Um den Fluss zu stimulieren, lässt Mac auf dem Bildschirm seines Laptops gebratene Steaks aufleuchten, und noch ein Linsengericht für die Vegetarier in der Runde, „oder steht jemand auf Broccoli?“
Mac gibt das Wochenendseminar nicht allein. Als Verstärkung hat er die Biohackerin Katherine Aull eingeladen, die gerne Kay genannt werden möchte und wie der Gegenpol zu Cowell wirkt. Der redet schnell und deutlich, wie jemand, der es gewohnt ist zu referieren. Er macht Scherze, hat immer einen guten Vergleich parat und greift Fragen mit der Intuition eines begabten Lehrers auf. Er ist durch die vielen Interviews, die er in den letzten Jahren vor Fernsehkameras, Radiomikrofonen und schreibenden Reportern gegeben hat, trainiert. Aull ist nicht so redselig. Sie hat aber im Gegensatz zu Mac, dessen Talente weniger im Forschen und eher darin liegen, über DIY-Biologie zu referieren, Kursteilnehmern Techniken und Journalisten Visionen zu erklären, bereits ein eigenes Studienprojekt erfolgreich abgeschlossen. Im Jahr 2009, mit 24 Jahren, begann sie ihre eigenen Erbanlagen nach Krankheitsgenen zu durchsuchen. Sie gilt heute aufgrund der Versuche damals in ihrer Studentenbude als erste Biohackerin überhaupt, die auch wirklich etwas gehackt hat – dazu gleich mehr.
Mac und Kay – unterschiedlicher können zwei Menschen kaum sein, die gemeinsame Interessen verfolgen.
Der eine ist ein brillanter Verkäufer seiner Sache und beseelt von der Idee, Biologie in einen Volkssport zu verwandeln. Für Mac ist kein Problem zu groß. Zum Beispiel wird er später erzählen, dass er vergangene Nacht einen Bioreaktor entworfen hat, in dem BakterienSonnenlicht in Biotreibstoff umwandeln sollen. Und er weiß, wie man die Webcam eines Computers in ein Mikroskop verwandelt. Super-Mac. Nur zwei der hundert Ideen, nach denen er seinen Mikroblog bei Twitter – „@100ideas“ – benannt hat.
Am anderen Ende des Nerd-Spektrums steht Kay, die ihre Gene analysiert und die Ergebnisse für sich sprechen lässt. Konversation führt sie eher mit Bedacht als mit Macht. Auch sie ist bereits von Reportern von Le Monde, von Sky News und dem Wall Street Journal interviewt worden.
Zwischen den beiden Extremen gibt es eine Menge Platz für weitere Akteure. Da sind die Firmengründer, die den amerikanischen Traum in „Vom Reagenzglasspüler zum Millionär“ umdichten wollen. Es gibt auch etablierte Hacker, denen elektronische Schaltkreise und Computercodes zu langweilig geworden sind und die es nun mit Genen versuchen wollen. Da sind zudem professionell geschulte Biologen und Gentechniker, die in ihrer Freizeit Projekte realisieren wollen, zu denen sie während der bezahlten Arbeitszeit nicht kommen oder für die sie ihr Chef nicht bezahlen möchte. Andere wieder glauben, den Tod oder Krebs überwinden zu können. Auch Väter und Mütter, die das Erbgut ihrer Kinder nach der Ursache für eine unbekannte Krankheit durchsuchen, gehören dazu. Andere wollen nur lernen, wie man einen genetischen Fingerabdruck erstellt, vielleicht um einen Vaterschaftstest durchzuführen, ohne ein offizielles Test-Labor einschalten zu müssen. Oder sie bringen sich mithilfe von Fachartikeln selbst bei, wie man nach der Geburt eines Babys Stammzellen aus der Plazenta gewinnen kann. Manche wollen ihr Essen analysieren oder Bäume zum
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