Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Augen schauen. »Warum hast du das nicht gleich gesagt«, murmelt er barsch. »Dummes Mädchen. Bei so etwas darf man sich nicht zieren.« Er hebt sein Hemd an und schiebt das Messer zurück in die Scheide. »Bring mich zu deinen Freunden.«
Vorsichtig wischt sie ihre Tränen ab. Sie ist nicht nachtragend. Wie viele junge Menschen ist sie anpassungsfähig. Nun, da die Krise vorüber ist, führt sie ihn aus dem Büro hinaus.
Unten in der Fertigungshalle treffen nach und nach die Arbeiter ein. Die großen Tore gehen klappernd auf, und die Sonne strömt herein. Dung- und Staubpartikel tanzen im Licht.
Mai führt ihn durch den Klärraum, stapft durch den farblosen Staub der Rückstände und geht weiter in den Stanzraum.
Über ihnen trocknen die Algen in den Gittersieben und erfüllen die Fabrik mit ihrem Fischgestank. Mai führt ihn an der Stanzmaschine vorbei und schlüpft unter dem Fließband hindurch. Auf der anderen Seite stehen die Algentanks in stillen Reihen, voller Salz und Leben. Bei mehr als der Hälfte ist die Produktion ganz offensichtlich nur unzureichend. Ihre Oberfläche ist kaum von Algen bedeckt, obwohl der Überstand nach einer Nacht, in der nichts abgeschöpft wurde, mindestens zehn Zentimeter hoch sein müsste.
»Dort«, flüstert Mai und deutet mit dem Finger. Kit und Srimuang liegen beide an der Wand. Die beiden Männer starren mit stumpfem Blick zu Hock Seng empor. Hock Seng geht neben ihnen in die Hocke, berührt sie jedoch nicht.
»Haben sie zusammen gegessen?«
»Ich glaube nicht. Sie sind nicht miteinander befreundet.«
»Könnte es Cibiskose sein? Rostwelke? Nein.« Er schüttelt den Kopf. »Ich bin ein dummer alter Mann. Es ist keines von beidem. Sie haben kein Blut auf den Lippen.«
Kit stöhnt und versucht sich aufzusetzen. Hock zuckt zurück und unterdrückt den Drang, sich die Hände an seinem Hemd abzuwischen. Der andere, Srimuang, sieht noch schlimmer aus.
»Wofür war dieser Mann verantwortlich?«
Mai zögert. »Ich glaube, er war für die Tanks zuständig. Er hat das Fischmehl für die Algen hineingekippt.«
Hock Seng bekommt eine Gänsehaut. Zwei Todkranke. Die ausgerechnet neben den Tanks liegen, die auf Hock Sengs Drängen wieder in Betrieb genommen wurden, um Mr Anderson zufriedenzustellen. War das Zufall? Ihn schaudert, und er betrachtet den Raum mit neuen Augen. Überall ist der Boden feucht, und in der Nähe der rostigen Abflussgitter bilden
sich Wasserlachen. Ein Algenfilm überzieht jede feuchte Oberfläche, gespeist von den überschüssigen Nährstoffen. Falls etwas mit den Tanks nicht in Ordnung ist, können sich die Keime ungehindert ausbreiten.
Hock Seng wischt sich instinktiv die Hände ab und hält dann inne, wobei er schon wieder eine Gänsehaut bekommt. Der graue Puder aus dem Klärraum klebt ihm an den Fingern – er hat den Vorhang beiseitegeschoben, als er hindurchgegangen ist. Er ist von potenziellen Krankheitsüberträgern umgeben. Über ihm hängen die Trockengitter; in dem trüben Licht des Lagerhauses scheint ihre Zahl endlos zu sein, und alle sind sie mit Überstand beschmiert, der allmählich schwarz wird. Von einem der Gitter fällt ein Wassertropfen herab. Klatscht neben seinem Fuß auf den Boden. In dem Moment wird ihm erst bewusst, was er da hört. Wenn die Fabrik voller Menschen war, hat er es nie wahrgenommen. Aber jetzt, in der Stille des anbrechenden Morgens, ist es überall: das sanfte Prasseln des Regens von den Gittern über ihnen.
Hock Seng steht unvermittelt auf; er muss sich zusammenreißen, um nicht in Panik auszubrechen.
Sei kein Narr. Du weißt nicht mit Sicherheit, dass es an den Algen liegt. Der Tod kommt in vielerlei Gestalt. Sie können sich alle möglichen Krankheiten eingefangen haben.
Kits Atem kommt nur noch stoßweise, doch in der Stille ist er nicht zu überhören; seine Brust hebt und senkt sich wie ein Blasebalg.
»Glauben Sie, das ist eine Epidemie?«, fragt Mai.
Hock Seng schaut sie wütend an. »Sag nicht so was! Möchtest du, dass die Dämonen uns heimsuchen? Oder die Weißhemden? Wenn sich das herumspricht, werden sie die Fabrik schließen. Und wir verhungern wie die Yellow Cards.«
»Aber …«
Draußen in der Haupthalle sind laute Stimmen zu hören.
»Sei still, Kind.« Hock Seng macht eine herrische Handbewegung und versucht verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Weißhemden hier auftauchen würden. Dann hätte der fremde Teufel endlich einen Vorwand, Hock
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