Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
worum ich Sie bitte, Leutnant.«
»Bitte tun Sie das nicht. Ich werde Pracha anflehen, dass er …«
Jaidee fällt ihr ins Wort, bevor sie etwas Hässliches ausspricht. Es gab eine Zeit, da hätte er zugelassen, dass sie ihm gegenüber das Gesicht verliert, dass ihre Entschuldigungen aus ihr herausströmen wie ein Wasserfall während des Monsuns. Aber damit ist es jetzt vorbei.
»Mehr wünsche ich mir gar nicht«, sagt er. »Ich bin es zufrieden. Ich werde dem Handelsministerium einen Besuch abstatten, und ich werde sie büßen lassen. All das ist Kamma. Es war mir nicht bestimmt, Chaya für immer behalten zu dürfen, und auch sie hatte eine andere Bestimmung. Aber ich glaube, dass wir trotzdem noch etwas bewirken können, wenn wir an unserem Damma festhalten. Wir haben alle unsere Pflichten, Kanya. Unserem Patron und unseren Männern gegenüber.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich habe viele verschiedene Leben gelebt. Ich war ein Junge und ein Muay-Thai -Champion, ein Vater und ein Hauptmann der Weißhemden.« Er senkt den Blick und betrachtet die Falten seines Novizengewandes. »Und sogar ein Mönch.« Er grinst. »Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich muss noch eine ganze Reihe von Stadien durchlaufen, bevor ich mit diesem Leben abschließe und Chaya nachfolge.« Seine Stimme wird rau. »Erst muss ich noch etwas erledigen, und bevor ich das nicht getan habe, hält mich niemand auf.«
Kanya sieht ihn mit traurigem Blick an. »Sie können nicht alleine gehen.«
»Nein. Ich werde Somchai mitnehmen.«
Das Handelsministerium: Ungestraft haben sie ihn verspottet, seine Frau geraubt und ein Loch von der Größe einer Durian in ihm zurückgelassen.
Chaya.
Jaidee betrachtet das Gebäude eingehend. Angesichts der gleißenden Lichter kommt er sich vor wie ein Wilder im Dschungel, wie der Medizinmann eines Bergstammes, der einer heranrückenden Armee von Megodonten entgegenblickt. Für einen Moment sinkt ihm fast der Mut.
Ich sollte die Jungs besuchen, denkt er bei sich. Ich könnte nach Hause gehen.
Aber er bleibt hier in der Dunkelheit stehen und beobachtet das hell erleuchtete Handelsministerium, wo Kohle verbrannt wird, als hätte die Große Kontraktion nie stattgefunden, als müsste der Ozean nicht von Deichen zurückgehalten werden.
Irgendwo in diesem Gebäude sitzt ein Mann und schmiedet Pläne. Der Mann, der ihn – wie lange ist das jetzt her? – auf den Ankerplätzen beobachtet hat. Der Betelsaft ausgespuckt hat und davongeschlendert ist, als wäre Jaidee nicht mehr als eine Kakerlake, die es zu zerquetschen galt. Der neben Akkarat saß und schweigend Jaidees Sturz mit ansah. Dieser Mann wird Jaidee zu Chayas letzter Ruhestätte führen. Dieser Mann ist der Schlüssel. Und er hält sich hinter diesen Mauern verborgen.
Jaidee zieht sich in die Dunkelheit zurück. Somchai und er tragen schwarze Straßenkleidung ohne irgendwelche Kennzeichen, um besser mit der Nacht zu verschmelzen. Somchai ist schnell. Einer der Besten. Auf engstem Raum gefährlich,
und leise. Er kennt sich mit Schlössern aus, und wie Jaidee ist er hochmotiviert.
Somchai betrachtet das Ministerium mit ernster Miene. Fast wirkt er so ernst wie Kanya, denkt Jaidee. Anscheinend nehmen sie alle irgendwann dieses Gebaren an. Berufsrisiko. Jaidee fragt sich, ob die Thai wirklich jemals gelächelt haben, wie es die Legende erzählt. Jedes Mal, wenn er seine Söhne lachen hört, hat er das Gefühl, im Wald sei eine wunderschöne Orchidee erblüht.
»Die geben sich nicht eben große Mühe«, murmelt Somchai.
Jaidee nickt. »Ich kann mich noch erinnern, wie das Handelsministerium nur eine kleine Unterabteilung des Landwirtschaftsministeriums war. Und jetzt schau dir das an.«
»So alt sind Sie doch noch gar nicht. Das war schon immer ein großes Ministerium.«
»Nein, die waren winzig. Ein Witz!« Jaidee deutet auf den neuen Gebäudekomplex mit seiner hochmodernen Konvektionslüftung, mit seinen Vordächern und Säulengängen. »Wir leben wirklich in einer neuen Welt.«
Als wollten sie ihn verhöhnen, springt ein Cheshirepärchen auf eine Balustrade, um sich zu putzen. Gerade sind sie noch zu sehen, und gleich darauf verschwinden sie wieder, als wäre es ihnen gleichgültig, ob jemand sie entdeckt. Jaidee zieht seine Federpistole und zielt. »Das haben wir dem Handelsministerium zu verdanken. Die sollten Cheshire zu ihrem Wappentier machen.«
»Bitte nicht.«
Er blickt Somchai an. »Dabei geht kein Karma verloren. Sie haben keine
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