Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
dreht sich um, will zum Fenster stürzen, wird jedoch von mehreren Angreifern zu Boden gerissen und rutscht über den nassen Marmor. Irgendwo in weiter Ferne hört er Somchai brüllen. Die Arme werden ihm mit Fesseln aus Rattan auf den Rücken gebunden.
»Legt ihm einen Druckverband an!«, befiehlt der Unbekannte. »Ich möchte nicht, dass er verblutet.«
Jaidee senkt den Blick. Sein ganzer Arm ist rot. Einer der Wachleute macht sich daran zu schaffen. Jaidee ist schwindlig. Hat er bereits so viel Blut verloren, oder liegt es an der Mordlust, die ihm beinahe den Verstand raubt? Er wird auf die Füße gerissen. Somchai wird von zwei Wachmännern festgehalten; aus seiner Nase rinnt Blut, die Augen sind zugeschwollen. Seine Zähne sind rot. Hinter ihm auf dem Boden liegen zwei reglose Männer.
Der Neuankömmling mustert sie eingehend. Jaidee erwidert trotzig seinen Blick.
»Hauptmann Jaidee. Sollten Sie nicht in einem Kloster sein?«
Jaidee versucht, mit den Schultern zu zucken. »In meinem Kuti war es nicht hell genug. Da dachte ich, ich könnte ebenso gut hier Buße tun.«
Sein Gegenüber lächelt andeutungsweise. »Das lässt
sich einrichten.« Er nickt seinen Männern zu. »Bringt sie rauf.«
Die Wachleute zerren ihn und Somchai aus dem Zimmer und den Korridor entlang. Vor einem Fahrstuhl bleiben sie stehen. Ein richtiger Fahrstuhl, mit einer Leuchtanzeige und Bildern des Ramakian an den Wänden. Jeder Knopf ist ein kleines Dämonenmaul, und vollbusige Frauen, die Saw Duang und Jakae spielen, säumen die Einfassung. Die Türen schließen sich.
»Wie heißen Sie«, fragt Jaidee.
Sein Gegenüber zuckt mit den Schultern. »Das ist nicht von Belang.«
»Sie sind Akkarats Kreatur.«
Keine Antwort.
Die Türen gehen auf. Sie treten auf das Dach hinaus. Fünfzehn Stockwerke bis zur Straße hinunter. Somchai und er werden vorwärtsgestoßen.
»Na los«, sagt der Unbekannte. »Sie warten hier oben. Dort rüber, wo wir Sie sehen können.«
Die Wachleute richten ihre Federpistolen auf sie und bedeuten ihnen, zum Rand des Daches zu gehen. Sie blicken zu dem schwachen Schein der Methanlampen hinunter.
So ist es also, dem Tod ins Angesicht zu blicken, denkt Jaidee, während er in die Tiefe starrt. Die Straße liegt weit unter ihm. Als warte sie auf ihn.
»Was haben Sie mit Chaya gemacht?«, ruft er dem geheimnisvollen Mann zu.
Dieser lächelt. »Sind Sie deswegen hier? Weil wir sie nicht schnell genug freigelassen haben?«
Jaidee fühlt Hoffnung in sich aufsteigen. Hat er sich vielleicht geirrt? »Sie können mit mir machen, was Sie wollen. Aber lassen Sie meine Frau gehen.«
Der Unbekannte scheint zu zögern. Hat er ein schlechtes Gewissen? Jaidee kann es nicht erkennen, weil er zu weit weg
ist. Ist Chaya also unwiderruflich tot? »Lasst sie frei. Machen Sie mit mir, was Sie wollen.«
Der Unbekannte bleibt ihm die Antwort schuldig.
Jaidee fragt sich, ob er etwas hätte anders machen sollen. Es war unbesonnen vom ihm hierherzukommen. Aber er hatte sie bereits verloren. Und der Unbekannte hat ihm nichts versprochen, keine Drohungen ausgestoßen – nichts, dem er hätte entnehmen können, dass sie noch am Leben ist. Hat er sich töricht verhalten?
»Lebt sie noch oder nicht?«, fragt er.
Der Unbekannte lächelt leise. »Ich kann mir vorstellen, dass es wehtut, das nicht zu wissen.«
»Lassen Sie sie frei.«
»Das war nichts Persönliches, Jaidee. Wenn es einen anderen Weg gegeben hätte …« Er zuckt mit den Achseln.
Sie ist tot. Jaidee ist sich dessen sicher. Das alles ist Teil eines Plans. Er hätte sich nicht von Pracha umstimmen lassen dürfen. Er hätte sofort mit all seinen Männer angreifen und dem Handelsministerium eine Lektion erteilen sollen. Er dreht sich zu Somchai um. »Es tut mir leid.«
Somchai zuckt mit den Schultern. »Sie waren schon immer ein Tiger. Das liegt in Ihrer Natur. Das wusste ich, als ich eingewilligt habe, Sie zu begleiten.«
»Trotzdem, Somchai, wenn wir hier sterben …«
Somchai lächelt. »Dann werden Sie als Cheshire wiedergeboren. «
Jaidee bricht in schallendes Gelächter aus. Es tut gut, und er kann gar nicht mehr aufhören. Jede Faser seines Körpers zittert. Sogar die Wachleute müssen kichern. Somchais Lächeln wird breiter und verstärkt seine Heiterkeit.
Hinter ihm Schritte. Eine Stimme. »Was für eine heitere Gesellschaft! Und das alles nur wegen zwei jämmerlichen Dieben.«
Jaidee kann sich nur schwer beherrschen. Er schnappt nach Luft. »Da muss ein
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