Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
die Hände, öffnete und schloss sie, ohne sich dessen bewusst zu sein, aber ihre Stimme blieb gedämpft. »Sie haben mir Gehorsam einprogrammiert, in jeder Beziehung.«
Und dann schenkte sie ihm ein reizendes Lächeln und schmiegte sich an ihn, als gäbe es nichts, worüber sie sich zu beklagen hätte.
Sie ist ein Tier. So unterwürfig wie ein Hund. Und doch, wenn er sich zusammenreißt und sie nicht unter Druck setzt, dann kommt ein anderes Aufziehmädchen zum Vorschein. Ein Geschöpf, so kostbar und selten wie ein lebender Bobaum. Ihre Seele, die sich aus der erstickenden Umklammerung der DNA-Stränge löst.
Er fragt sich, ob er sich wohl mehr über den Missbrauch aufregen würde, wenn sie wirklich ein Mensch wäre. Es ist schon seltsam, mit einer künstlich hergestellten Kreatur zusammen zu sein – einer Kreatur, die darauf trainiert ist, ihm zu dienen. Sie gibt selbst zu, dass ihre Seele gespalten ist; dass sie nicht weiß, inwieweit sie Herr ihrer selbst und inwieweit sie ihren Genen ausgeliefert ist. Hat sie ihre Dienstbeflissenheit irgendwelcher Hunde-DNA zu verdanken, die ihr stets den untersten Rang im Menschenrudel diktiert? Oder liegt das an der Ausbildung, von der sie erzählt hat?
Das Geräusch marschierender Stiefel reißt Anderson aus seinen Gedanken. Carlyle reckt den Hals, um zu sehen, was da los ist. Anderson richtet sich auf und stößt dabei fast sein Bierglas um.
Die Straße hat sich in ein Meer weißer Uniformen verwandelt. Fußgänger, Radfahrer und Garküchenbesitzer stieben
auseinander, drücken sich verzweifelt an die Wände der umstehenden Gebäude, um den Truppen des Umweltministeriums Platz zu machen. Federgewehre, schwarze Schlagstöcke und blendend weiße Uniformen, so weit das Auge reicht. Die Gestalt gewordene Entschlossenheit marschiert an ihnen vorbei. Das resolute Angesicht einer Nation, die noch nie erobert worden ist.
»Jesus und Noah«, murmelt Carlyle.
Anderson kneift die Augen zusammen. »Das sind verdammt viele Weißhemden.«
Auf ein verstecktes Signal hin lösen sich zwei Weißhemden aus der Kolonne und betreten das Sir Francis. Mit kaum verhülltem Ekel mustern sie die Farang, die benommen in der Hitze herumliegen.
Sir Francis, für gewöhnlich eher unbekümmert, wenn er denn überhaupt anwesend ist, kommt herbeigeeilt und verbeugt sich tief vor den beiden Männern.
Anderson deutet mit einer Kopfbewegung Richtung Tür. »Wir gehen wohl besser, was?«
Carlyle nickt mit ernster Miene. »Möglichst unauffällig, würde ich sagen.«
»Dafür dürfte es zu spät sein. Glauben Sie, die suchen nach Ihnen?«
Carlyle beißt sich auf die Unterlippe. »Eigentlich hatte ich gehofft, sie hätten es auf Sie abgesehen.«
Sir Francis beendet sein Gespräch mit den Weißhemden. Er dreht sich um und ruft seinen Gästen zu: »Es tut mir leid, aber wir haben geschlossen. Alles hat geschlossen. Sie müssen gehen. Sofort.«
Anderson und Carlyle stehen auf, beide etwas unsicher auf den Beinen. »Ich hätte nicht so viel trinken sollen«, murmelt Carlyle.
Zusammen mit den anderen Gästen wanken sie hinaus. In
der gleißenden Sonne bleiben sie stehen und schauen zu, wie die Weißhemden an ihnen vorbeiströmen. Das Knallen von Stiefeln hallt durch die Straßen. Gewalt liegt in der Luft.
Anderson beugt sich zu Carlyle hinüber. »Da wird doch nicht wieder Akkarat seine Finger im Spiel gehabt haben, oder? Wie bei Ihrem abgestürzten Luftschiff, meine ich.«
Carlyle bleibt ihm die Antwort schuldig, doch sein grimmiger Gesichtsausdruck verrät Anderson alles, was er wissen muss. Hunderte von Weißhemden drängen sich auf den Straßen, und es werden immer mehr. Der uniformierte Fluss nimmt kein Ende.
»Anscheinend haben sie Truppen aus der Provinz hinzugezogen. So viele Weißhemden arbeiten unmöglich in der Stadt.«
»Das sind die Frontkämpfer des Ministeriums – sie sind es, die die Brände legen«, erklärt Carlyle. »Wenn die Cibiskose oder die Hühnergrippe außer Kontrolle gerät.« Er hebt die Hand, um Anderson auf etwas hinzuweisen, überlegt es sich dann jedoch anders, weil er keine Aufmerksamkeit erregen möchte. Stattdessen nickt er. »Sehen Sie die Abzeichen? Der Tiger und die Fackel? Das sind Selbstmordkommandos, nichts anderes. Bei denen hat auch der Tiger von Bangkok angefangen.«
Anderson nickt verbissen. Es ist eine Sache, sich über die Weißhemden zu beschweren und Witze über ihre Dummheit und Bestechlichkeit zu reißen. Es ist etwas völlig anderes, sie so
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