Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
außer Reichweite. Stemmt sich auf die Knie hoch und zwingt sich schließlich aufzustehen. Benommen schwankt er hin und her, stellt sich dann breitbeinig hin und findet sein Gleichgewicht. Eines der gelben Augen des Megodonten folgt seinen Bewegungen. Alle Wut ist daraus gewichen. Augenlider mit langen Wimpern blinzen. Anderson fragt sich, was das Tier wohl denkt. Ob es die neurale Verwüstung spüren kann, die durch seinen Körper tobt? Ob es weiß, dass sein Ende bevorsteht? Oder ob es einfach nur müde ist?
Wie er so über dem Megodonten steht, empfindet Anderson fast Mitleid. Wo einst Stoßzähne aufragten, sind nur vier schartige Ovale zu sehen, schmutzige Elfenbeinflecken, unbarmherzig abgesägt. An den Knien glänzen wunde Stellen, der Mund ist von Krätzenschimmel entstellt. Die Rippen heben und senken sich kaum wahrnehmbar. Aus der Nähe betrachtet, handelt es sich nur noch um eine missbrauchte Kreatur, die Muskeln gelähmt, dem Tod nahe. Dieses Ungeheuer war nie für den Kampf bestimmt.
Dem Megodonten entfährt ein letzter Atemzug. Sein Körper sinkt in sich zusammen.
Überall um Anderson herum drängen sich Menschen,
schreien, zerren an ihm, versuchen, ihren Verwundeten zu helfen und ihre Toten zu finden. Zu viele Menschen – in Rot und Gold, den Farben der Gewerkschaft, in grünen SpringLife-Overalls. Und Mahout, die über den gewaltigen Kadaver klettern.
Für einen Moment glaubt Anderson, Yates neben sich stehen zu sehen; er raucht seinen Tabak und weidet sich an der ganzen Katastrophe. »Und Sie haben behauptet, Sie wären allerhöchstens einen Monat hier.« Dann ist Hock Seng neben ihm, mit flüsternder Stimme und schwarzen Mandelaugen. Eine knochige Hand hebt sich und berührt ihn am Hals. Die Finger färben sich rot.
»Sie bluten«, murmelt der alte Mann.
2
»Und hoch !«, ruft Hock Seng. Pom und Nu und Kukrit und Kanda stemmen sich alle gegen die geborstene Spindel und ziehen sie aus der Wiege wie einen Splitter, der einem Riesen aus dem Fleisch gezogen wird. Sie wuchten sie so weit heraus, bis Mai, ein kleines Mädchen, in den Zwischenraum darunter kriechen kann.
»Ich kann nichts sehen!«, ruft sie.
Pom und Nu spannen die Muskeln an, um die Spindel daran zu hindern, wieder an ihren Platz zurückzurutschen. Hong Seng kniet sich hin und reicht dem Mädchen eine Schüttellampe hinunter. Ihre Finger berühren die seinen, und das LED-Gerät verschwindet in der Finsternis. Die Lampe ist mehr wert als das Mädchen. Er hofft, dass die Männer die Spindel nicht fallen lassen, während Mai da unten ist.
»Und?«, ruft er, nachdem eine Minute verstrichen ist. »Hat sie einen Riss?«
Er erhält keine Antwort. Hock Seng hofft, dass Mai nicht irgendwo feststeckt und nicht mehr herauskommt. Er geht in die Hocke, um zu warten, bis sie mit ihrer Inspektion fertig ist. Um ihn herum summt die Fabrik wie ein Bienenstock – die Arbeiter mühen sich, alles wieder in Ordnung zu bringen. Männer schwärmen über den Kadaver des Megodonten, Gewerkschaftsarbeiter mit blanken Macheten und vier Fuß langen Knochensägen. Die Hände tiefrot, zerlegen sie den Fleischberg in seine Einzelteile. Blut rinnt der Bestie über die Flanken, während ihr die Haut von dem marmorweißen Muskelfleisch gezogen wird.
Bei dem Anblick läuft Hock Seng ein Schauder den Rücken hinunter. Er muss an sein Volk denken, das ein ähnliches Schicksal erlitten hat, an das Blutvergießen und die zerstörten Fabriken. Gut gefüllte Lagerhäuser und tapfere Menschen — alles dahin. Vor seinem geistigen Auge sieht er Männer mit den grünen Stirnbändern und Macheten, die seine Lagerhäuser in Brand stecken. Jute und Tamarinde und Spannfedern, alles geht in Flammen auf. Gleißende Klingen, die den Schein der Feuersbrunst zurückwerfen. Er wendet den Blick ab und versucht, die Erinnerungen zurückzudrängen und ruhig zu atmen.
Als die Megodonten-Gewerkschaft erfahren hat, dass einer der ihren gefallen ist, hat sie umgehend ihre erfahrenen Schlachter geschickt. Hock Seng hat sie gedrängt, den Kadaver nach draußen zu schleifen und ihr Werk auf der Straße zu verrichten, damit Platz ist, um das Räderwerk zu reparieren. Doch die Männer von der Gewerkschaft haben sich geweigert, und so wimmelt es jetzt nicht nur von Arbeitern, die aufräumen und putzen, sondern auch noch von Fliegen; über allem liegt der Geruch des Todes.
Knochen ragen aus dem Kadaver wie Korallen aus einem tiefroten Meer. Blut läuft dem Megodonten in Strömen über die
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