Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
transgener Muskeln, die sich ihrer letzten Fesseln erwehren.
Anderson hebt das Gewehr. Am Rande seines Blickfeldes richtet sich ein weiterer Megodont auf und trompetet sein Mitgefühl hinaus. Die Mahout verlieren zunehmend die Kontrolle.
Er zwingt sich, das um sich greifende Chaos zu ignorieren, und legt sein Auge an das Visier.
Das Fadenkreuz gleitet über eine verkrustete Wand aus faltigem Fleisch. In der Vergrößerung des Visiers ist das Tier so riesig, dass er es nicht verfehlen kann. Er schaltet das Gewehr auf Vollautomatik, atmet aus und lässt den Druck aus der Gaskammer entweichen.
Ein Sturm von Pfeilen schießt aus der Mündung. Grellorange Punkte sprenkeln die Haut des Megodonten, jeder Schuss ein Treffer. Das von AgriGen entwickelte hochkonzentrierte Wespengift strömt durch den Leib des Tieres und nimmt Kurs auf sein zentrales Nervensystem.
Anderson lässt das Gewehr sinken. Ohne die Vergrößerung des Visiers kann er die winzigen Pfeile in der Haut der Bestie kaum erkennen. Noch wenige Augenblicke, dann wird sie tot sein.
Der Megodont dreht sich herum und richtet seine Aufmerksamkeit auf Anderson; in seinen Augen blitzt die Wut des Pleistozäns. Wider Willen ist Anderson von der Intelligenz des Tiers beeindruckt. Fast scheint es, als wüsste die Kreatur, was er getan hat.
Der Megodont spannt die Muskeln an und zerrt mit ganzer Kraft an seinen Fesseln. Gusseiserne Kettenglieder bersten und pfeifen durch die Luft, krachen in die Fließbänder. Ein fliehender Arbeiter geht zu Boden. Anderson lässt das Luftgewehr fallen und reißt die Federpistole aus dem Gürtel. Gegen die zehn Tonnen erzürnter Bestie ist sie ein Spielzeug, aber sie ist alles, was er noch hat. Der Megodont stürzt los, und Anderson feuert, betätigt den Abzug so schnell, wie seine Finger sich krümmen. Messerscharf geschliffene Scheiben prallen nutzlos von der anrollenden Lawine ab.
Der Megodont reißt ihn mit dem Rüssel von den Füßen. Wie eine Python umschlingt das Greiforgan seine Beine. Anderson
strampelt verzweifelt mit den Beinen und versucht sich am Türpfosten festzuhalten. Der Rüssel drückt zu. Blut schießt Anderson in den Kopf. Er fragt sich, ob das Ungeheuer ihn einfach wie einen Moskito zerquetschen will, doch das Tier zerrt ihn vom Balkon herunter. Anderson versucht noch, am Geländer Halt zu finden, doch dann hebt er ab – und befindet sich in freiem Flug.
Das frohlockende Trompeten des Megodonten hallt durch das Gebäude, während Anderson durch die Luft segelt. Der Fabrikboden kommt auf ihn zugerast. Er kracht auf den Beton. Finsternis droht ihn zu verschlucken. Leg dich hin und stirb. Anderson wehrt sich gegen die Bewusstlosigkeit. Einfach nur sterben.
Er versucht aufzustehen oder wegzurollen – irgendetwas. Aber er kann sich nicht bewegen.
Bunte Schemen tanzen vor seinen Augen. Der Megodont kommt immer näher. Anderson kann seinen Atem riechen.
Die farbigen Flecken verschwimmen, der Megodont nimmt fast sein ganzes Gesichtsfeld ein. Krustige Haut und uralte Wut. Er hebt einen Fuß, um ihn zu zerquetschen. Anderson rollt auf die Seite, doch seine Beine wollen ihm nicht gehorchen. Nicht einmal mehr wegkriechen kann er. Seine Hände scharren über den Beton wie Spinnen auf Eis. Er kann sich nicht schnell genug bewegen. Himmelherrgott, so möchte ich nicht sterben. Nicht hier. Nicht so … Er kommt sich vor wie eine Echse, deren Schwanz eingeklemmt ist. Er kann nicht aufstehen, er kann nicht fliehen, er wird sterben – Gelee unter dem Fuß eines überdimensionierten Elefanten.
Der Megodont stöhnt auf. Anderson hebt den Kopf. Das Tier hat den Fuß wieder gesenkt. Es schwankt, wie betrunken, tastet mit seinem Rüssel umher. Und dann, plötzlich, geben seine Hinterbeine nach. Das Ungeheuer hockt sich auf den Boden und sieht aus wie ein Hund, geradezu lächerlich. Fast
scheint es ratlos dreinzuschauen — völlig überrascht, dass sein Körper ihm nicht mehr gehorcht.
Ganz langsam spreizen sich seine Vorderbeine, und es sinkt ächzend auf Stroh und Dung. Die Augen des Megodonten befinden sich nun auf gleicher Höhe mit Anderson. Sie starren ihn an, fast wie ein Mensch, und blinzeln verwirrt. Der Rüssel streckt sich wieder nach ihm aus, eine Python aus Muskeln und Instinkt, jetzt allerdings völlig unkoordiniert. Das Maul steht offen, keucht vernehmlich. Heiße, süßliche Luft brandet über Anderson hinweg. Der Rüssel greift nach ihm. Bekommt ihn nicht mehr zu fassen.
Anderson schleppt sich langsam
Weitere Kostenlose Bücher