Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
deinen Namen.« Sie winkt erneut, und diesmal kommt das Mädchen widerstrebend näher.
»Mai.« Es ist kaum mehr als ein Flüstern.
Kanya hält ihr das Foto hin. »Du weißt, wo dieser Mann gearbeitet hat, habe ich Recht?«
Mai wiegt den Kopf hin und her, doch Kanya durchschaut den Schwindel. Kinder sind furchtbar schlechte Lügner. Als die Weißhemden sie damals nach der Karpfenzucht ihrer Eltern fragten, hatte sie sie nach Süden geschickt – natürlich waren sie genau in die entgegengesetzte Richtung gegangen, mit diesem wissenden Erwachsenenlächeln auf den Lippen.
Sie hält dem Mädchen das Foto hin. »Du verstehst doch, wie gefährlich das hier ist, nicht wahr?«
Das Mädchen zögert. »Werden Sie das Dorf niederbrennen? «
Kanya versucht, der Gefühle Herr zu werden, die sich in ihre Gesichtszüge schleichen wollen. »Selbstverständlich nicht.« Sie lächelt und verleiht ihrer Stimme einen beruhigenden Tonfall. »Sei unbesorgt, Mai. Ich kenne deine Angst. Ich bin auch in so einem Dorf aufgewachsen. Ich weiß, wie schwer das ist. Aber du musst mir dabei helfen, die Quelle dieser Krankheit aufzuspüren, oder es werden noch mehr Menschen sterben.«
»Mir wurde befohlen, nichts zu verraten.«
»Und es ist richtig von dir, den Anweisungen deines Patrons zu folgen.« Kanya hält inne. »Aber wir sind alle auch
gegenüber Ihrer Majestät der Königin zu Gehorsam verpflichtet, und sie ist stets um unsere Sicherheit besorgt. Die Königin würde wollen, dass du uns hilfst.«
Mai zögert noch kurz, dann sagt sie: »Da haben noch drei in der Fabrik gearbeitet.«
Kanya lässt sich die Ungeduld nicht anmerken. »Welche Fabrik?«, fragt sie und beugt sich weiter vor.
Mai zaudert. Kanya kommt ihr immer näher. »Was meinst du, wie viele Phii werden dir die Schuld geben, dass sie früher gestorben sind, als ihr Kamma es ihnen vorherbestimmt hat?«
Mai schwankt immer noch.
»Wenn wir ihr die Finger brechen, wird sie es uns schon verraten«, wirft Pai ein.
Das Mädchen wirkt verängstigt. Doch Kanya streckt beruhigend die Hand aus. »Hab keine Angst. Er wird dir nichts tun. Er ist ein Tiger, aber ich führe ihn an der Leine. Bitte. Hilf uns, die Stadt zu retten. Mit deiner Hilfe können wir Krung Thep vielleicht vor dem Schlimmsten bewahren.«
Die Kleine blickt zur Seite, dahin, wo sich Bangkoks verfallene Glut über dem Wasser erhebt. »Die Fabrik ist geschlossen. Ihr habt sie geschlossen.«
»Das ist doch schon mal gut. Wir müssen aber auch noch dafür sorgen, dass sich diese Krankheit nicht weiter ausbreitet. Welche Fabrik ist es?«
»SpringLife.« Die Antwort kommt nur widerwillig.
Kanya zieht die Stirn kraus und versucht den Namen zuzuordnen.
»Eine Spannfeder-Fabrik? Von den Chaozhou?«
Mai schüttelt den Kopf. »Farang. Sehr reiche Farang.«
Kanya hockt sich neben sie. »Erzähl mir mehr darüber.«
31
Als Anderson Emiko zusammengekauert vor seiner Haustür vorfindet, ist der sichergeglaubte Schlaf mit einem Mal wieder in weite Ferne gerückt.
Die letzten Tage über hatte er fieberhaft alles für die Invasion vorbereitet, was sich als äußerst schwierig herausgestellt hatte, da er nicht in seine eigene Fabrik durfte – etwas, womit er nie gerechnet hatte. Wegen dieser verfluchten Fehlplanung musste er kostbare Zeit darauf verschwenden, einen sicheren Weg in das SpringLife-Gelände ausfindig zu machen, vorbei an den unzähligen Weißhemden, die das Industriegebiet abriegeln. Wahrscheinlich würde er sich immer noch auf der Suche nach einem Zugang durch finstere Seitengassen drücken, wenn er nicht zufällig auf Hock Sengs Fluchtweg gestoßen wäre.
So aber war Anderson tatsächlich mit geschwärztem Gesicht und einem Wurfhaken im Gepäck durch die Rollläden der SpringLife-Büros eingebrochen und dabei einem alten Mann zu Dank verpflichtet gewesen, der nur wenige Tage zuvor die gesamten Lohngelder der Firma gestohlen hatte.
Der Gestank in der Fabrik war entsetzlich. Sämtliche Algenbäder waren verfault, aber immerhin war niemand zu sehen – ein kleiner Trost. Wenn die Weißhemden hier Wachen aufgestellt hätten … Anderson hielt eine Hand auf den Mund gepresst, während er durch die Haupthalle an der Produktionsstraße entlanglief. Hier wurde der unangenehme Fäulnisgeruch und der Gestank des Megodonten-Dungs noch durchdringender.
Im Schatten der Gittersiebe unter den dunkel aufragenden Stanzmaschinen untersuchte Anderson den Boden. Hier,
nahe den Algenbädern, war der Verwesungsgestank
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