Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Radioübertragung. Auf einer ganz neuen Sendefrequenz, sagen diejenigen, die sich um den blechern klingenden Lautsprecher versammelt haben. Die Ansagerin wirkt aufgewühlt. Hock Seng fragt sich, ob ihr gerade eine Federpistole an den Kopf gehalten wird. Khun Supawadi. Sie war immer äußerst beliebt. Hat immer diese spannenden Hörspiele angekündigt. Und jetzt bittet sie ihre Landsleute mit zittriger Stimme, Ruhe zu bewahren, während Panzer durch die Straßen donnern, um von den Ankerplätzen bis zu den Dämmen alles zu sichern. Knisternd dringen Granatfeuer und Explosionsgeräusche aus dem Radiolautsprecher. Wie ein perfektes Echo sind nur wenige Sekunden später irgendwo weit entfernt Detonationen zu hören, die wie gedämpfter Donner klingen.
»Sie ist näher an den Kampfhandlungen dran als wir«, sagt Lachender Chan.
»Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?«, fragt sich Hock Seng.
Lachender Chan will gerade antworten, da wird er von dem wütenden Gebrüll eines Megodonten unterbrochen, gefolgt vom Jaulen von Spannfederpistolen. Alle blicken die Straße hinunter. »Das hört sich nicht gut an.«
»In Deckung«, sagt Hock Seng.
»Zu spät.«
Eine Woge von Menschen strömt um die Straßenecke. Sie alle flüchten vor einem Trio Megodonten mit Rüstungen aus Kohlenstoffstahl, die dicht hinter ihnen um die Ecke donnern. Die massigen Köpfe sind gesenkt und schwingen hin und her, wobei die an den Stoßzähnen befestigten halbmondförmigen Klingen in die Menschenmenge fahren. Körper wirbeln wie Blätter umher, werden wie Orangen zerteilt.
Auf den Megodonten sitzen Männer in Käfigen und feuern mit Maschinengewehren in die Menge. Silbrig gleißende Scheiben prasseln auf das Menschengewimmel herab. Während die Leute an ihnen vorbeirennen, ducken sich Hock Seng und Lachender Chan in einen Hauseingang. Die Weißhemden unter ihnen feuern im Rennen aus Spannfederpistolen und Einzelschussgewehren, doch gegen die gepanzerten Megodonten können ihre Scheiben nichts ausrichten. Das Umweltministerium ist für einen solchen Konflikt nicht ausgerüstet. Um sie herum regnet es Querschläger, und wieder rattern die Maschinengewehre. Menschen stürzen, und zurück bleiben blutige, sich windende Haufen, die vor Schmerz aufheulen, als die Megodonten sie niedertrampeln. Die Straße erstickt unter Staub und Moschusgeruch. Ein Mann wird von den Megodonten zur Seite geschleudert und prallt gegen Hock Seng. Blut strömt ihm aus dem Mund, doch er ist bereits tot.
Hock Seng kriecht unter dem Leichnam hervor. Immer mehr Menschen formieren sich und schießen auf die Megodonten. Wahrscheinlich Studenten, vermutet Hock Seng, von der Thammasat vielleicht, aber es ist nicht zu erkennen, wem oder was sie sich zugehörig fühlen. Hock Seng fragt sich, ob sie selbst überhaupt wissen, gegen wen sie da kämpfen.
Die Megodonten drehen sich im Kreis und greifen alles
an, was sich ihnen in den Weg stellt. Die Leute versuchen, ihnen auszuweichen, und drängen sich gegen Hock Seng. Er bekommt keine Luft mehr. Er will etwas rufen, sich Platz verschaffen, doch der Druck ist einfach zu stark. Er schreit auf. Das Gewicht der verzweifelt nach Schutz suchenden Menschen lastet auf ihm und presst ihm den letzten Rest Sauerstoff aus den Lungenflügeln. Ein Megodont geht gegen die Menge vor. Er weicht einen Schritt zurück und greift erneut an, reißt den Menschenklumpen auseinander und schwingt die bewaffneten Stoßzähne. Einige Studenten werfen erst Ölflaschen, dann brennende Fackeln auf das Tier, bis alles um sie herum in Flammen steht.
Wieder regnet es rasiermesserscharfe Klingen. Hock Seng kauert sich auf die Erde, während die Silber spuckenden Gewehre näher rücken. Ein Junge blickt ihm direkt in die Augen; das gelbe Stirnband ist ihm über das blutverschmierte Gesicht gerutscht. In Hock Sengs Bein breitet sich ein heftiger Schmerz aus. Er kann nicht sagen, ob das Knie gebrochen ist oder ob er einen Schuss abbekommen hat. Vor lauter Angst und Wut beginnt er, laut zu schreien. Das Gewicht der Masse drückt ihn zu Boden. Er wird sterben. Unter den Toten begraben. Trotz allem hat er nicht begriffen, wie launisch der Krieg sein kann. In seinem Hochmut nahm er an, er könne sich vorbereiten. Was für ein Narr er doch ist …
Plötzlich wird es still. Zwar klingeln ihm noch immer die Ohren, aber er hört keine Schüsse mehr, und auch das Trompeten der Megodonten hat aufgehört. Unter dem Menschenberg wagt Hock Seng einen zittrigen Atemzug.
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