Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
ausgefragt, wenn er wissen wollte, warum ein Klipper nicht termingerecht fertiggestellt worden war. Er bohrte sich durch Ausreden wie ein genmanipulierter Rüsselkäfer.
Schließlich nickt der Gaijin zufrieden. »Gut«, sagt er. »Sehr gut.«
Emiko verspürt Freude über sein Lob in sich aufwallen und hasst sich zugleich dafür. Der Gaijin trinkt seinen Whisky aus. Greift in die Tasche, zieht ein Bündel Geldscheine hervor und zählt im Aufstehen einen Teil davon ab.
»Die sind für dich, nur für dich. Lass Raleigh nichts davon sehen. Ihn bezahle ich selbst, bevor ich gehe.«
Vermutlich sollte sie ihm dankbar sein, aber sie fühlt sich ausgenutzt. Ebenso ausgenutzt von diesem Mann und seinen Worten wie von allen anderen auch — den heuchlerischen Grahamiten und den Weißhemden des Umweltministeriums, die den Nervenkitzel des Tabubruchs suchen und nach Sex mit einer absonderlichen, unreinen Kreatur gieren.
Sie hält die Geldscheine zwischen den Fingern. Ihre Ausbildung gebietet Höflichkeit, doch die selbstgerechte Großzügigkeit des Gaijin ärgert sie.
»Was, glaubt der Gentleman, werde ich mit diesen Baht tun?«, fragt sie. »Soll ich mir hübschen Schmuck kaufen? Mich selbst zum Abendessen einladen? Ich gehöre mir nicht. Ich bin Raleighs Eigentum.« Sie wirft ihm das Geld vor die Füße. »Es spielt keine Rolle, ob ich reich bin oder arm. Ich bin eine Sklavin.«
Der Fremde hält inne, eine Hand auf der Schiebetür. »Warum läufst du dann nicht weg?«
»Wohin? Meine Importgenehmigung ist abgelaufen.« Sie lächelt verbittert. »Ohne den Schutz und die Verbindungen von Raleigh-san würden mich die Weißhemden kompostieren.«
»Du könntest in den Norden fliehen«, erwidert der Fremde. »Zu den anderen Aufziehmenschen.«
»Was für andere Aufziehmenschen?«
Der Fremde lächelt. »Raleigh hat dir nichts von ihnen erzählt? Von den Enklaven der Aufziehmenschen in den Bergen?
Von den Flüchtlingen aus dem Kohlekrieg? Den Freigelassenen? «
Als er ihr ausdrucksloses Gesicht sieht, fährt er fort: »Dort oben gibt es ganze Dörfer, die vom Dschungel leben. Das Land ist arm und von Genhackern fast vollständig zerstört. Es liegt hinter Chiang Rai, jenseits des Mekong. Aber die Aufziehmenschen dort haben keine Patrone, und sie gehören auch niemandem. Der Kohlekrieg tobt noch immer, aber wenn du deine Nische so sehr hasst, ist es eine Alternative zu Raleigh.«
»Stimmt das?« Sie beugt sich vor. »Diese Dörfer, gibt es die wirklich?«
Der Fremde lächelt erneut. »Du kannst Raleigh fragen, wenn du mir nicht glaubst. Er hat sie mit eigenen Augen gesehen. « Er hält inne. »Allerdings wird er keinen Vorteil darin sehen, dir davon zu erzählen. Sonst kommst du noch auf die Idee, deine Ketten abzustreifen.«
»Sagen Sie mir auch die Wahrheit?«
Der blasse Mann tippt sich mit dem Finger an den Hut. »Wenigstens so sehr, wie du mir die Wahrheit gesagt hast.« Er schiebt die Tür auf und schlüpft hindurch. Emiko bleibt alleine zurück, mit pochendem Herzen und dem plötzlichen Willen zu leben.
4
»500, 1000, 5000, 7500 …«
Das Königreich vor allen Infektionen der Natur beschützen zu wollen, gleicht dem Versuch, den Ozean in einem Netz zu fangen. Eine gewisse Anzahl von Fischen mag man erwischen, aber der Ozean ist ewig und strömt durch die Maschen.
»10 000, 12 500, 15 000 … 25 000 …«
Hauptmann Jaidee Rojjanasukchai ist sich dessen mehr als bewusst, wie er da mitten in der schwülheißen Nacht unter dem gewaltigen Rumpf des Luftschiffs der Farang steht. Über ihm drehen sich surrend die Turbopropeller. Die Fracht liegt verstreut auf dem Flugfeld, die Kisten aufgebrochen, der Inhalt über den ganzen Ankerplatz verteilt, als hätte ein Kind mit seinem Spielzeug um sich geworfen. Verschiedenste Kostbarkeiten und verbotene Ware.
»30 000, 35 000 … 50 000 …«
Um ihn herum erstreckt sich der frisch renovierte Flugplatz von Bangkok, der von an Spiegeltürmen montierten Hochleistungs-Methanlampen erleuchtet wird: Auf der riesigen, in grünes Licht getauchten Freifläche reihen sich die Ankerplätze aneinander; darüber schweben die gewaltigen Ballons der Farang. An den Rändern soll der dichte Bestand von HiGro-Bambus und gesponnenem Stacheldraht die internationalen Grenzen markieren.
» 60 000, 70 000, 80 000 …«
Das Königreich Thailand wird verschlungen. Jaidee lässt müßig den Blick über die Verwüstung schweifen, die seine Leute angerichtet haben – es ist nicht zu übersehen.
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