Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bios

Bios

Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
lange gefallen lassen. Indessen, ich möchte, dass Zoe Fisher mindestens so lange überlebt, bis ich wieder sicher in Beijing bin. Das ist nicht mein Krieg, offen gestanden.« Nahm er den Mund zu voll? »Das ist selbstverständlich vertraulich.«
    »Selbstverständlich.«
    »Mit anderen Worten, kein Kombüsengeschwätz.«
    »Sie können mir vertrauen, das wissen Sie doch, Kenyon.« Dass er Degrandpre beim Vornamen nannte, war keine Frechheit; er tat es mit niedergeschlagenen Augen und um sich einzuschmeicheln.
    »Danke, Corbus.« Ein sanfter Rüffel. »Also, ja oder nein? Bin ich gesund?«
    Nefford widmete sich merklich erleichtert seinem Bildschirm. »Ihr Knochen-Kalzium ist ausgezeichnet, Ihre Muskulatur stabil und Ihre Strahlenbelastung liegt summa summarum innerhalb der Toleranzen. Beim nächsten Mal möchte ich aber eine Blutprobe.«
    »Nächstes Mal bekommen Sie eine.«
     
    *
     
    Einmal pro Kalendermonat schritt Degrandpre, die linke Hand am Halfter der Reitpeitsche, die Peripherie der Orbitalstation ab, von den Docks bis zu den Sonnengärten.
    Er betrachtete diesen Kontrollgang als eine Möglichkeit, mit der IOS in Kontakt zu bleiben. Die Wartungscrew auf Zack zu halten, den Firmenstab auf Uniformverletzungen hinzuweisen – ganz allgemein Präsenz zu zeigen. (Was Verstöße gegen die Bekleidungsvorschriften anging, so hatte er bei den Kuiper- und Marswissenschaftlern längst die Waffen gestreckt; er schätzte sich schon glücklich, wenn sie überhaupt daran dachten, sich anzuziehen.) Probleme, die von seinem Schreibtisch aus weit entfernt zu sein schienen, wogen aus der Nähe schwerer. Und er mochte die körperliche Bewegung.
    Seine Inspektion begann stets bei den schwach erhellten Frachtlagern von Modul Zehn und endete mit Modul Neun, den Gärten. Er verweilte gern in den Gärten. Wenn man ihn gefragt hätte, würde er wohl gesagt haben, dass er den gefilterten Sonnenschein genoss, der von automatisch nachgeführten Kollektoren in der Radnabe hierher gepumpt wurde, oder die feuchte Luft oder den erdigen Geruch der aeroponischen Suspensionen (* fein verteilte Nährstoffe in der Luft bei Aerokulturen). Und das war die reine Wahrheit. Aber nicht die ganze.
    Für Kenyon Degrandpre waren die Gärten eine Art Taschenparadies.
    Schon als Kind hatte er Gärten gemocht. Die ersten zwölf Lebensjahre hatte er bei seinem Vater gelebt, einem Seniormanager des Sortenarchivs in Südfrankreich. Die Gewächshäuser des Archivs bedeckten Tausende von Morgen Weideland, die Fundamente gegen den südlichen Himmel geneigt, eine Stadt aus beschlagenen Glaswänden und zischenden Lüftern.
    »Paradies«, hatte sein Vater dazu gesagt. Nach der Bibel war das Paradies ein Garten namens Eden; Eden war kultiviert und vollkommen. Als die Menschheit in Ungnade fiel, fiel der Garten in Anarchie.
    Auf der IOS spielten die Gärten eine noch zentralere Rolle, waren so anfällig und lebenswichtig wie ein transplantiertes Herz. Er lieferte den größten Teil der Nahrung, besorgte das Recycling der organischen Abfälle und reinigte die Luft. Weil die Gärten unentbehrlich und empfindlich waren, waren sie zumindest in Degrandpres Augen das Paradies des Alten Testaments, und zwar vor dem Sündenfall: ordentlich, kalkuliert, organisch und präzise.
    Die Gärtner in ihrer gelbbraunen Montur bestätigten seine Gegenwart, indem sie ihm aus dem Weg gingen. Er schritt die langgestreckten Beete ab, hielt in einer Schneise zwischen hohen Tomatenstauden inne, um den Geruch und das blattgrüne Licht zu genießen.
    Als er in den Konzern eingetreten war, hatte er noch viel vom Idealismus seines Vaters im Gepäck gehabt. Die Menschheit hatte sich zu lange mit einer verwilderten Erde abgefunden. Die Folgen waren unkontrolliertes Bevölkerungswachstum, Entartung des Klimas und Krankheiten gewesen.
    Kuiper-Radikale warfen der Erde vor, sich in Untätigkeit zu ergehen. Unsinn, dachte Degrandpre. Wie lange würde ein Kuiper-Habitat oder eine marsianische Luftfarm ohne Regulierung der Eis- und Sauerstoffförderung überleben? Wie lange konnte die IOS zum Beispiel in einem Zustand der Anarchie überleben? Verhielt es sich auf der Erde so viel anders? Die Probleme waren dieselben, nur großräumiger, diffuser. Isis zum Beispiel: ein noch unkultivierter Garten. Wunderschön, wie frisch eingetroffene Kuiper-Enthusiasten immer wieder betonten. Und von Grund auf feindselig gegenüber menschlichen Lebens.
    Er durchquerte den Gemüsegarten und erklomm eine Terrasse, auf

Weitere Kostenlose Bücher