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Bios

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Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
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dass der Mann keinen Rang zu haben schien.
    Auf der Erde war ein Mann ohne Titel entweder arm oder sehr einflussreich. Ein Bauer oder ein Adliger.
    Und Bauern kamen nicht nach Isis.

 
Vier
     
    Zoe kam in den Gemeinschaftsraum, um an der Verbrennung von Macabie Feyas Leichnam teilzunehmen.
    Tam Hayes hatte die Belegschaft hierher beordert. Der Raum war so groß, dass Zoe sich der Versammlung ohne allzu große klaustrophobische Regungen anschließen konnte. Hayes hatte eine Wand freigemacht und die Vertäfelung in einen Bildschirm verwandelt, der die westliche Rodung zeigte, wo ferngesteuerte Roboter aus hiesigem Holz eine Totenbahre gezimmert hatten. Es war, als blicke man durch ein großes Aussichtsfenster. In Wahrheit lag der Gemeinschaftsraum mitten im sterilen Kern von Yambuku, von Isis durch Zwiebelschalen aus Hochrisikolaboratorien und Roboterhangars isoliert.
    Mac Feya, hoffnungslos kontaminiert, war auf seinem Weg in die Station nicht über den Roboterhangar hinausgekommen. In seinem Leichnam hausten unzählige isische Mikroorganismen; de facto handelte es sich bei ihm um äußerst gefährlichen Bioabfall. Elam Mather hatte einen ferngesteuerten Medizinroboter benutzt, um den sterbenden Mac ruhig zu stellen und zu betäuben, ein grausamer aber zum Glück kurzer Prozess; nachdem exemplarische Gewebeproben entnommen und in die Glove-Box-Tresore (* Glove-Box = isolierter Bereich, in den man nur mittels handschuhförmiger Einstülpungen hineingreifen kann) geschleust worden waren, hatte sie die Leiche auf die Rodung hinausschaffen lassen.
    Zoe sah nicht zu genau hin. Man hatte den kostbaren Biopanzer zurückbehalten und Mac Feya in ein weißes Tuch gehüllt, wohl um dem Leichnam ein gewisses Maß an Würde zu verleihen. Doch der Körper unter dem Leichentuch war offensichtlich in Auflösung begriffen, wurde von isischen Mikroorganismen verdaut und mit unheimlicher Geschwindigkeit zu einer sirupartigen schwarzen Masse verarbeitet. Wie die CIBA-37-Maus, dachte Zoe. Zoe saß steif auf ihrem Stuhl und sträubte sich, diesen Todesfall als Omen zu betrachten. Höchstens als Warnung: Die isische Biosphäre ließ nicht mit sich spaßen. Sie war weder bösartig, noch wollte sie den Menschen Böses. Nicht Isis war das Problem, sondern die Menschen. Wir sind anfällig, dachte Zoe; wir haben uns in einem jüngeren und weniger umkämpften Biotop entwickelt. Hier sind wir Säuglinge.
    Als die ersten Sonden Isis erreichten, hatte man große Mühe darauf verwendet, den Planeten vor menschlicher Kontamination zu bewahren. Doch es gab keinen terrestrischen Organismus, den die isische Biosphäre nicht hätte bändigen und verschlingen können; gegen das gewaltige Arsenal an Enzymen und Giften konnten die zarten Proteinhüllen irdischen Lebens nichts ausrichten. Isis hatte nicht anders gekonnt, als Macabie Feya zu töten.
    »Der Planet hasst dich nicht«, hatte Theo einmal gesagt. »Aber seine Intimitäten sind verhängnisvoll.«
    Zoe blickte über die Bahre hinweg auf den fernen Baldachin aus Wipfeln. Die Bäume waren gewunden, hatten dünne Stämme und reckten ihre Hauptäste wie große, grüne Hände. Der Wald war ihr Revier, dachte Zoe, daran würde sich nichts ändern. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens damit verbracht, sich auf langfristiges Alleinsein in den Wäldern von Isis vorzubereiten. Wenn eine hiesige Spezies benannt werden sollte, konnte sie sie benennen; innerhalb eines breiten Spektrums von Gattungen konnte sie sogar vorläufige Doppelnamen für neue Spezies vergeben. Doch das hier war kein Lehrbuch, kein interaktives Programm und auch keine virtuelle Realität. Die reale Realität war mit einem Mal überwältigend, selbst wenn sie nur auf Umwegen in die abgekapselte Sicherheit des Gemeinschaftsraums fand: reale Brisen spielten mit den Blättern, reale Schatten verfinsterten den Waldboden. Nur noch ein paar dünne Wände trennten sie von Isis – endlich, endlich.
    Und draußen lauerte der Tod. Realer Tod. Die Ergriffenheit im Raum war erschreckend. Dieter Franklin weinte mit gesenktem Kopf; Elam Mather und andere machten keinen Hehl aus ihren Tränen.
    Zwei Geheimnisse, dachte Zoe. Isis und Trauer. Den Planeten kannte sie besser. Was würde sie empfinden, falls jemand starb, der ihr nahe stand? Doch es gab niemanden, der ihr nahe stand. Hatte nie jemanden gegeben. Bis auf Theo, streng und distanziert wie ein Adler, ihren Lehrer und Retter. Was, wenn da draußen Theos Leichnam verbrannt würde? Würde sie

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