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Bios

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Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
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wurde von den Anzugfiltern gedämpft, klang aber wie ein Paukenschlag auf der wispernden Lichtung. Nein, das wollte sie auf keinen Fall, und nicht bloß wegen der physischen Ungelegenheiten. Um ehrlich zu sein, sie veränderte sich auf eine ebenso quälende wie beunruhigende Weise.
    Ihre Gefühle für Hayes zum Beispiel. Sie kannte sich aus mit menschlicher Sexualität; sie hatte sie eingehend studiert. Ihre Bioregulatoren sorgten für einen ausgeglichenen chemischen Haushalt, was aber nicht hieß, dass sie geschlechtslos war; die Tantralehrer auf der Mittelschule hatten sie für ihre Geschicklichkeit gelobt. Nein: Das Schockierende war, dass sie ihm tatsächlich erlaubt hatte, sie anzufassen, das sogar gewollt hatte, genossen hatte. Die Kliniker von Devices & Personnel hatten ihr erklärt, durch Zutun eines anderen könne sie nie zu einem befriedigenden Orgasmus kommen. Die Jahre in Teheran hätten zu viele assoziative Barrieren aufgebaut, und außerdem dämpfe die Bioregulation die erforderlichen hormonellen Feedback-Schleifen. Sie könne nun mal keinen vergnügten Geschlechtsverkehr mit einem Mann haben.
    So ähnlich jedenfalls hatte es geheißen.
    Also stimmte etwas nicht. Also müsste sie einen Arzt konsultieren.
    Aber das wollte sie nicht. Denn ein Arzt würde sie eventuell wieder einstellen und das Sonderbare – das wirklich Sonderbare – war, dass sie gar nicht eingestellt werden wollte.
    Wenn sie wieder eingestellt war, dann spürte sie vielleicht beim Klang von Tams Stimme den Schauer der Vorfreude nicht mehr, die plötzliche Schwerelosigkeit, wenn er ihr ein Kompliment machte, die schockierende Vertraulichkeit seiner Hand auf ihrem Leib.
    Das war verrückt, was sonst, doch es hatte auch etwas Himmlisches. Sie fragte sich, ob sie da auf einen Schatz gestoßen war, über den die Moderne nicht mehr verfügte, einen archaischen emotionalen Quell, der unter dem rigiden Sexualraster der Familien oder unter den schimpansenartigen Kopulationen der Kuiper-Clans verschüttet lag.
    So liebte sich das unregulierte Proletariat vielleicht. Fühlte sich in Afrika und Asien, den Treibhäusern der Seuchen, so die ›Liebe‹ an?
    Sie hatte Angst vor diesem Gefühl. Und sie hatte Angst, es könne eines Tages aufhören.
     
    *
     
    Gegen Mittag hatte sie fertig gepackt. Yambuku schwieg sich aus. Sie musste vor Ablauf einer Stunde aufbrechen oder sie ging das Risiko ein, die Station erst bei Dunkelheit zu erreichen.
    Bei Dieter Franklin, der ihre physische Telemetrie überwachte, hinterließ sie eine kurze Aufforderung für Hayes, sich zu melden. Zum Glück war der Wald heute friedlich, keine Raubtiere im Messbereich, weiße Wolken ritten auf dem Meridian wie herrenlose Boote auf der Strömung.
    Sie rief ihre Gesellschaft von sechsbeinigen Robotern zusammen und brach nach Westen auf. Den Pfad hatten Maschinen im Voraus gebahnt, er folgte auf einer Länge von etwa fünfhundert Metern dem Ufer des Copper. In dieser Jahreszeit führte der Fluss wenig Wasser. Es hatte sich von den Böschungen zurückgezogen und hinterließ steinige Furten, bewegungslose, grüne Tümpel und Schlickdünen, auf denen ein paar verwegene Gräser Fuß gefasst hatten. Vollautomatisierte, insektoide Telesensorien folgten ihr wie ein Mückenschwarm, ein paar flogen voraus und sicherten den Weg. Das feine Gesumm der Sensorien ging in einer Kakophonie aus Vogel- und Insektenrufen unter, die für ihre Ohren allesamt gleich klangen, wie Überlandleitungen, die in einer Hitzewelle summten.
    Der Außenanzug tunnelte Schweißperlen von der Haut an die Oberfläche der Membran, um Zoe zu kühlen. Unter der Einwirkung der Sonne wurde die Membran weiß. Zoe besah sich die Arme. Sie war so blass wie die reinblütige Tochter einer nordischen Adelsfamilie, aristokratisch weiß.
    Sie war kaum einen Kilometer vorangekommen, als Tam Hayes eine Direktverbindung schaltete. Wurde auch Zeit, dachte sie.
    »Zoe? Wir hätten gerne, dass du vorläufig Halt machst.«
    »Geht nicht«, sagte sie. »Nicht, wenn ich vor Dunkelheit zurück sein will. Du hast den ganzen Morgen mit der IOS geredet. Die Zeit steht nicht still, bloß weil es Kenyon Degrandpre gefällt, euch in Trab zu halten.«
    »Darum geht es ja. Man will den Ausflug ausdehnen.«
    Man, registrierte sie. Nicht wir. Hayes war dagegen. »Was meinst du mit ausdehnen?«
    »Man möchte, dass du kehrtmachst, den Copper auf der mobilen Brücke überquerst und am Ostufer losmarschierst. Telesensorien werden eine Route zur

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