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Bios

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Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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eher eine Seltenheit, und die kleineren, flinkeren Fleischfresser hatten etwa die Größe von Hauskatzen und waren leicht zu verscheuchen durch ein Wesen so groß und so fremd wie ein Mensch. Das war vielleicht einer der Gründe, warum sich die Gräberkolonie hier so erfolgreich etabliert hatte.
    Und was ein, zwei Meter Höhe anging – naja, sie würde nur ungern das Einzugsgebiet der Gräber verlassen und weiter ins Gebirge vorstoßen, wo der Copper River in schmalen Rinnen zwischen schieferscharfem Felsgestein dahinschoss. Davor und bis da vertraute sie voll und ganz ihren Füßen.
    Was also machte ihr noch Angst?
    Irgendeines von zehntausend unerwarteten Ereignissen, dachte Zoe. Ganz zu schweigen von ihrer Gemütsverfassung.
    Nicht, dass es ihr schlecht ging. Im Gegenteil. So wechselhaft ihr zumute gewesen war, im Moment fühlte sie sich überraschend fit, schritt aus im Sonnenschein und ließ die Arme schwingen mit einem Gefühl von Freiheit, wie sie es seit der Kinderkrippe nicht mehr empfunden hatte. Der Pfad folgte einem niedrigen Hügelkamm Richtung Osten. Manchmal trug er sie so hoch hinauf, dass sie das grüne Dach des Waldes sehen konnte, das sich gen Westen senkte, so dicht und geschlossen wie ein wohl gehütetes Geheimnis. Das alles berührte sie – sie hatte kein besseres Wort dafür –, berührte sie, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte; gerade so als hätte sie Yambuku verlassen und zuvor keine schützende Membran angelegt, sondern eine abgestreift. Sie war wie ein offener Nerv; beim schieren Anblick des blauen Himmels hätte sie vor Freude weinen mögen.
    Sie fand keine Erklärung für diese Stimmungsschwankungen… es sei denn, sie lief aus dem Ruder. War das denkbar? Thymostaten waren einfache homöostatische Maschinen; sie arbeiteten absolut wartungsfrei und zuverlässig. Eine gestörte Bioregulation musste doch Spuren in der medizinischen Telemetrie hinterlassen?
    Egal, raunte irgendein separatistischer Teil von ihr. Sie lebte – sie war lange nicht mehr so lebendig gewesen – und das gefiel ihr.
    Gefiel ihr fast so sehr wie es ihr Angst machte.
    Lange vor Einbruch der Dunkelheit machte sie Halt; die Roboter erkannten die potenziellen Lagerplätze durch Mustervergleich. Der Hügelkamm erweiterte sich hier zu einem felsigen Plateau, im Mutterboden zwischen den glazialen Felsplatten saßen Büschel grüner Fettpflanzen. Das Zelt aufzuschlagen war ein Kinderspiel – es war so intelligent, dass es die meiste Arbeit selbst besorgte –, die Verankerung war da schon schwieriger. Zoe trieb Pflöcke in Steinspalten und in ausgefüllte Hohlräume und vertäute das Zelt auf altmodische Weise. Sie rief den Wetterbericht ab, nichts hatte sich geändert seit heute Morgen: wolkenlos, windstill. Isis zeigte sich von der besten Seite.
    Nach einem hastigen Imbiss meldete sie sich bei Dieter. Alles wie gehabt, meinte Dieter, außer dass Avrion Theophilus, dieser mysteriöse Mensch von Devices & Personnel, den nächsten Shuttle nach Yambuku gebucht hatte.
    Theo in Yambuku, dachte Zoe.
    So wie sie drauf war, hätte sie sich freuen müssen.
    Warum tat sie es bloß nicht?
     
    *
     
    Die Sonne versank hinter den Copper Mountains. Zoe beendete die umständliche Prozedur der Nahrungsaufnahme durch den Anzug hindurch und wollte eben einen neuen Angriff auf die Zitadelle des Schlafs starten, als ein Alarmsignal in ihr Hornhautdisplay platzte. Diesmal gehörte die Stimme Lee Reisman, Dieters Ablösung. »Wir haben ein großes Tier in Ihrer Nähe«, sagte Lee, dann: »Wau! Das ist ja ein Gräber!«
    Sie war sofort hellwach. »Kommt er näher?«
    »Nein… nach den Telesensorien hält er etwa hundert Meter Abstand. Roboter sind positioniert, um ihn abzufangen, aber…«
    »Lassen Sie ihn mal in Ruhe.«
    »Zoe? Das ist jetzt nicht der Augenblick, um Kontakt aufzunehmen.«
    »Ich will nur einen Blick auf ihn werfen.«
    Sie krabbelte aus dem Zelt in den dunklen Abend hinaus. In dem Maße, wie sie ihre Sehkraft aufdrehte, glühten die Schieferfelsen auf; das Gestein gab ab, was es tagsüber an Wärme aufgenommen hatte. Sie hatte befürchtet, den Gräber kaum noch ausmachen zu können, doch sie sah ihn sofort und optimierte die Einstellung ihrer Membranlinsen.
    Sie erkannte ihn an den langen, weißen Schnurrhaaren, diesen abgespreizten Tastorganen unter den Augen: Das war der Alte, wie Hayes ihn genannt hatte.
    Sie betrachtete den Alten, und der Alte betrachtete sie.
    Es war beim besten Willen nicht möglich, in

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