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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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unterwegs, war ich einfach außerstande, von anderen etwas Böses zu denken, und ließ dieses etwas peinliche Moment einfach vergehen. Einfach so. Ich sah sie also freundlich mitleidig an und tat rein gar nichts. Früher, da konnte ich noch sehr böse gucken, so etwa wie der deutsche Schauspieler Klaus Kinski, der in den deutschen Verfilmungen von Edgar Wallace die wahnsinnigen Schurken spielte. Jetzt aber konnte ich so gütig schauen wie Fernandel in Le petit monde de Don Camillo . Dagegen hilft kein Keifen und häßlich sein. Also knickte sie ein und versuchte ihr Glück bei Jean Luc. Offenbar kannte sie ihre Kunden ganz genau. Jean Luc und seine Gattin waren wohl die seriösesten und freundlichsten Menschen, die sich gerade zu dieser Zeit in der Stadt aufhielten. Aber eine Antwort konnten sie sich nicht ersparen. Auch andere mischten sich in guter Absicht schlichtend ein. Und das schöne Essen war im Eimer. Sie werde jetzt weggehen und die Flic holen, keifte sie hysterisch und stampfte davon. Das war so sinnlos rüde, daß man kein Wort dafür hatte. Da ich zu nationalen Vorurteilen neige, waren für mich die Basken allesamt „unten durch“. Dazu hätte es nicht noch des baskischen Terrorismus oder Namen wie Donibane Garazi, die baskische Bezeichnung für diese Stadt, bedürft. Das muß man sich auf der Zunge zerlegen lassen. Es hörte sich an wie ein Radlagerbruch. Allerdings hieß die Stadt früher einmal auch Santa Maria Cabo el Puente oder Sainte-Marie du Bout du Pont. Anfangs des 16. Jahrhundert machten sich nämlich die Spanier daran, das bis dahin politisch eigenständige Navarra einzuverleiben. Erst fünfzig Jahre später fiel es dann der französischen Krone zu. Die nationalen Identifikationsprobleme der Einheimischen waren jedoch kein Grund für das ungastliche Verhalten. Zumindest nicht in meinen Augen. Ich schlug vor, nachdem das Huhn in Burgundersoße nun die absolut perfekte Konsistenz erreicht hatte, und nur noch serviert oder in die Tonne geschmissen werden konnte, ohne Zeitverlust mit dem Essen zu beginnen und so die Zeit bis zur Ankunft der Gerdarmen aktiv zu nützen. Sollten sie tatsächlich kommen, so bestimmt nicht vor dem Dessert. Und schließlich, wer würde sich trauen, in einer Stadt, die wirtschaftlich von den Pilgern lebte, ein paar harmlose Pilger zu verhaften, weil sie gemeinsam ein Abschiedsessen feiern wollten. Aber die Franzmänner, die ihre Ordnungshüter wie sonst kaum ein anderes Volk verachten, wissen auch am besten über ihre Verkommenheit. Keiner der Anwesenden wollte sich mit der Polizei anlegen. Und ich mußte mich beugen. Also konsumierten wir das wunderbare Essen stehend auf dem Hof und den Wein sitzend auf dem Gehsteig vor einem verschlossenen Friseurladen. Dort fand uns später Florence, als sie überraschend früh vom Paß zurückkehrte. Ohne Umschweife nahm sie unter uns weinsaufenden Obdachlosen Platz. Keifende Baskinnen und helfende Amtspersonen ließen sich nicht blicken, und wir achteten nicht zu sehr darauf. Ich zumindest nicht. Ich wunderte mich nur darüber, warum diese Menschen sich so einfach aus dem Haus werfen lassen, um dann seelenruhig so ein Affront gegen die öffentliche Ordnung zu veranstalten. Damit kämen sie in München aber keinen Meter weit. Mehr habe ich zu Frankreich nicht zu sagen, außer daß man den dort lebenden Holländern verbieten sollte, die Pilger mit Eintopf zu bewirten. Mit diesem kulinarischen Fiasko endete nämlich meine Frankreichreise.

Spanien
Roncesvalles, km 2064
    Es ging über die Pyrenäen. Ein erhebender Gang, zumindest aus meiner Sicht. Das Tagesziel war heute Roncevaux oder auch Roncesvalles , wie es die Spanier nennen. Das lag irgendwo hinter dem Kamm. Dazu wußte der Pilgerführer auch gleich zwei Alternativrouten. Der alte, mittelalterliche Weg, den schon im Jahre 778 Karl der Große auf seinem Sarazenenfeldzug wählte, zog erst gemächlich durch das Flußtal des Nive an, um dann steil in die Schluchtflanke zum Paß hoch zu führen. Er sei landschaftlich schön, jedoch schwierig, schlecht markiert, da kaum begangen, und bei schlechtem Wetter überhaupt nicht zu empfehlen. Der Weg, den Napoleon bei seinem Spanienfeldzug nahm, weil er einen Hinterhalt fürchtete, folgte dagegen dem Bergrücken. Die Asphaltpiste sei sicher, bequem, gut markiert und daher meist begangen, pries der Führer. Daß die meisten etwas tun, ist für mich allerdings keine Empfehlung, eher schon ein Grund zum Nachdenken. Wer also, Napoleon oder

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