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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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1
Lacuna
    Lacuna kämpfte vergeblich gegen den Moralischen. Er ließ einfach nicht locker und gab ihr das Aussehen einer vorzeitig gealterten Vierzigjährigen; er drang in ihre Kleidung, wodurch diese schlampig und abgetragen wirkte; er verlieh ihrem Haar den Glanz trüben Abwaschwassers, ja, er durchdrang ihr gesamtes Leben und machte sie vierunddreißig Jahre alt.
    Einst war sie jung gewesen – jung und schön. Sie und ihr Zwillingsbruder Hiatus waren als Kinder richtige Schlingel gewesen. Wehmütig erinnerte sie sich daran, wie sie mit nur drei Jahren bei der Hochzeit des Guten Magiers Humfrey und der Gorgone für eine mittlere Katastrophe gesorgt hatten. Zu jener Zeit hatten ihre Eltern, der Zombiemeister und Millie das Gespenst, im Schloß des Guten Magiers gelebt, weil es aus der Zeit vor achthundert Jahren stammte. Damals hatten ihre Eltern das erste Mal darin gewohnt. Es war nur allzu selbstverständlich gewesen, daß die reizenden Zwillinge das Ende der langen Schleppe des Brautkleids tragen sollten. Aber sie hatten mehr als das getan. Hiatus nutzte seine Gabe und ließ diversen Gegenständen Augen Ohren und Nasen wachsen, und Lacuna hatte den Text des Gesangbuchs so verändert, daß dort anstelle von ›bis daß der Tod euch scheidet‹ zu lesen stand: ›die paar mickrigen Jahre, an die du dich vor deinem letzten Krächzen noch wie verrückt klammerst‹. Aus irgendeinem Grund hatte Lacunas Mutter das nicht sehr komisch gefunden. Mittlerweile war Lacuna herangereift und konnte den Standpunkt ihrer Mutter verstehen. Aber die Geschichte erinnerte sie auch daran, daß sie niemals geheiratet hatte. Sie hätte sich auf die schlimmste aller Hochzeiten eingelassen, nur um eine gute Ehe führen zu können. Oder auf eine durchschnittliche Ehe, anstelle einer durchschnittlichen Altjungfernschaft.
    Später waren sie ins Schloß Neu-Zombie im südlichen Xanth gezogen, wo es ihr sehr gefallen hatte. Hiatus und sie bewohnten eigene Zimmer, und sie hatten die armen Zombies gnadenlos geärgert. Irgendwie kam es ihr so vor, als ob fast alles Schöne in ihrem Leben vor der Jugend aufgebraucht worden war. Als Lacuna herangereift und sich schließlich der Erwachsenenverschwörung angeschlossen hatte, wurde ihr Leben erst zu einer Phase der Langeweile, auf die eine Periode der Monotonie folgte, der sich ein Zeitalter der Eintönigkeit anschloß, das sich in Jahre bloßen, nichtssagenden Blablas verwandelte. Schließlich hatte sich der Moralische eingestellt, und jetzt stand er ihr bis zu den müden Augäpfeln. Also unternahm sie etwas: Sie suchte den Guten Magier mit einer Frage auf.
    So gelangte Lacuna in die Gegend um das Schloß des Guten Magiers. Es sah nicht mehr so aus wie in ihrer Erinnerung, weil es sich fortwährend veränderte. Doch das wußte sie bereits, und so ließ sie sich nicht von ihrem Ziel ablenken. Allerdings war ihr klar, daß sie drei Prüfungen bestehen mußte, bevor sie eintreten und den Guten Magier aufsuchen durfte.
    Niedriges, dichtes Gestrüpp umgab das Schloß. Der Zauberweg, auf dem sie sich befand, führte geradewegs darauf zu und verlief sich dann in einem Dickicht aus Händen und Füßen. Lacuna erkannte die Pflanzen: Gliederwurz. Die Hände wucherten mit gespreizten Fingern aus den Stämmen, während die Zehen am Boden wuchsen und ihn vollständig bedeckten.
    Solche Pflanzen waren für gewöhnlich harmlos. Die Hände konnten zwar ein wenig zudringlich werden, wenn wohlgeformte junge Frauen an ihnen vorbei strichen, aber Lacuna würden sie wahrscheinlich links liegen lassen. Dennoch war es am besten, sich einen Weg durch das Dickicht zu suchen, denn es konnten gefährliche Tiere darin lauern und ihre Zähne in die Füße sorgloser Wanderer schlagen, die munter ausschreitend querfeldein hindurchpflügten. Daher wandte Lacuna sich seitwärts und fand schließlich eine Lücke zwischen den Büschen.
    Im nächsten Augenblick versperrten ihr wieder die üppig wuchernden Gliederwurzsträucher den Weg. Die Finger der Pflanze griffen nach ihrem einfachen Wollrock und die Zehen versuchten, die mit grobem Schuhwerk bekleideten Füße zu grapschen. Um ihnen aus dem Weg zu gehen, wandte Lacuna sich abermals zur Seite – was sie jedoch nicht zum Schloß brachte, sondern den Abstand nur noch vergrößerte.
    Also schlug sie die Gegenrichtung ein und inspizierte das Gebüsch gegenüber. Doch die vielversprechenden Schneisen verwandelten sich in Sackgassen und verhinderten, daß Lacuna sich auch nur ein paar

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