Bis ans Ende der Welt (German Edition)
sah nicht zurück, tat Gutes und Schlechtes ohne Reue. Dann fand ich den Herrn, meinen Begleiter, und nun ist alles irgendwie anders. Nicht schlechter und nicht besser, nur deutlich anders, komplizierter und z u gleich einfacher, ganz anders, andere Qualität. In was für eine Welt bin ich da geraten?
So oder so, es war Zeit zu gehen. Ich verließ das Seminar und zog durch die le e ren Gassen, die mit jedem Schritt hinter mir ins Nichts abbrachen. Ich betrat hier einen anderen Raum. Einen mit Abfahrzeiten und anderen mir inzwischen fre m den Dingen des Lebens. Ich hatte noch reichlich Zeit, dennoch spürte ich Angst, ich könnte den Bus versäumen, schritt voller Streß und Ungeduld aus. Doch zu der gegebenen Abfahrtszeit stand der ganze Busbahnhof noch bar aller Ve r kehrsmittel. Nur entnervte Reisende waren da. Ich traf einige meiner Begleiter und konnte noch einige nette Gespräche führen. Dabei merkte ich, daß auch sie eine Traurigkeit über das Ende der Pilgerschaft spüren. Alle waren wir nervös und unkonzentriert. Um so mehr, als alle Busse nach Frankreich und Deutsc h land zu gleicher Zeit abfahren sollten, wobei eigentlich niemand so richtig wu ß te, in welchen von ihnen einzusteigen. Die Piefkes waren hier in Minderheit, die meisten reisten ja aufgeklärt mit dem Flugzeug. Auf dem Bahnsteig drängten sie aber geschlossen und schimpften über die spanische Unpünktlichkeit. Als man dann kurzerhand die Busbelegung änderte, brach Chaos aus. Die Deutschen ve r standen die Ansagen nicht. Sie kannten ein rudimentäres Denglisch, hielten sich deshalb stolz für Weltbürger und verlangten gleiches von den Spaniern. Diese jedoch sprachen in ihrer Rückständigkeit nur Spanisch und Französisch. Das e r boste die Piefkes sehr, manche weigerten sich gar, den „unverständlichen“ A n weisungen zu folgen. Auf, steigen wir hinab, und verwirren wir dort ihre Spr a che, so daß keiner mehr die Sprache des anderen versteht. [88] Es wäre sehr am ü sant gewesen, wäre man selbst nicht ein Teil davon. Aber das spanische Pers o nal meisterte alles gekonnt, und mit anderthalb Stunden Verspätung verließen dann alle Busse auf einmal die Apostelstadt. Unbeteiligte mußten wohl anne h men, die Stadt werde evakuiert.
Ich ertrug all das nicht besonders gut. Nach vier Monaten war mir ein solcher sinnloser Streß nun völlig fremd. Und ich war müde und unausgeschlafen. Die letzte Nacht war hart, die Schlafstörer hatten ihren Triumph. Ein halbes Dutzend Spanier, nachdem sie ihren Sieg über den Camino in der Stadt ausgiebig bego s sen hatten, kehrten kichernd, schwatzend, bestgelaunt gegen Mitternacht in den Schlafsaal zurück, um fröhlich all die Dinge zu verrichten, die sie am Nachmi t tag unbeanstandet hätten tun können, hätten sie eben nicht in der Stadt gefeiert. Fast eine Stunde lang war ans Schlafen überhaupt nicht zu denken, und auch d a nach waren sie ständig zur Toilette unterwegs, um das konsumierte Bier wieder rauszulassen. Sie machten dabei jedesmal das große Licht an und ließen es d a nach brennen, damit die anderen auch etwas davon haben. Es war die letzte Nacht, und sie paßte voll und ganz zu Spanien und dem Camino Francés .
Im allerletzten Augenblick stürmte Armin, der italo-australische Komiker, uns e ren Bus und machte sich freudig neben mir breit. Dem Aussehen nach kam er wohl direkt aus irgendeiner Diskothek. Er sah sehr abgekämpft und unausg e schlafen aus. Deshalb erbat er sich bei mir gleich etwas zum Frühstück und aß meine Reisevorräte mit großem Gusto. Ich gönnte es ihm, konnte mir aber nicht helfen, schnell nachzurechnen, um wieviel mehr ich bei den überteuerten Aut o bahnraststätten und Restaurants dafür werde ausgeben müssen. Dann aber schämte ich mich meiner kleinlichen Gedanken und schrieb es als eine letzte g u te Tat der Pilgerschaft ab. Das gefiel dem Herrn bestimmt. Wir fuhren so eine ganze Weile, während ich mit einem Auge die Straße beäugte, in der Hoffnung, etwas Bekanntes zu entdecken, und mit dem anderen Ohr meinem Begleiter z u hörte, der sich lustig über die Tücken des Handels mit australischem Wein in Frankreich und das Radfahren in den Bergen vor Côte Azur ausließ. Dazu pa s send brach dann der Bus zusammen. Das heißt, er brach nicht einfach zusa m men, nur die Tür ließ sich nicht mehr luftdicht schließen, was die Elektronik in Aufruhr brachte, die dann den Fahrer mit Horrormeldungen bombardierte. Es war ja ein deutscher Bus. Mit Ach und Weh
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