Bis ans Ende der Welt (German Edition)
konnten wir gerade noch eine kleine Stadt erreichen, wo man uns einfach dem Strom der Zeit überließ. Ich wäre da gewiß mit den anderen Deutschen sehr ärgerlich der spanischen Schlamperei wegen, nicht jedoch mit Armin. Er kannte sich bestens mit der südländischen Mentalität aus. „Laß uns doch lieber Mittagessen gehen,“ schlug er vor. Und die Freude über diese unerwartete Gelegenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich versuchte noch einzuwenden, der Bus könnte repariert werden und würde ohne uns weiterfahren, während wir zumindest bis zum Morgen ohne unser G e päck auf die nächste Fuhre warten müßten. Aber Armin lachte nur über diese Naivität. Nie und nimmer würde man das Ding reparieren können oder uns gar ohne Vorwarnung hier sitzen lassen, sondern als erstes vor der Abfahrt das R e staurant inspizieren. So brachen wir auf und aßen auf Kosten von Armin ein fünfgängiges Menü und tranken dazu zwei Flaschen Wein. Es war die beste A u topanne, die ich je hatte. Außerdem auch noch die letzte warme Mahlzeit auf der fast vierzigstündigen Busreise. Als wir dann guter Dinge und bester Laune wi e der am Bus ankamen, war da keiner. Mit dem Bus verschwanden alle Piefkes, die mitreisenden Südländer jedoch waren vollzählig vorhanden. Bald werde ein anderer Bus kommen, hieß es, die Piefkes habe man, um sich nicht ihr Nörgeln anhören zu müssen, mit dem kaputten Bus weitergeschickt. „Na siehst du, was habe ich gesagt,“ strahlte Armin mit vollem Gesicht. Ich schlug, nun leichtsinnig geworden, vor, wieder zum Wein zurückzukehren, Armin jedoch winkte ab. Der Bus müsse schon wirklich jeden Augenblick kommen. Er hatte Recht, und ich wundere mich bis heute, welche hellseherische Fähigkeiten die Südländer wohl besitzen müssen, um in dieser Welt voller technischer Tücken zu überleben.
Der zweite Bus kam, war allerdings einige Klassen weniger komfortabel als der erste und auch deutlich älter. Man könnte sagen, er hatte die beste Zeit hinter sich. Und mit der Wartung nahm man es wohl nicht so ernst, es fehlte das eine wie das andere, die Sicherheitsgurte, die man dank der Führsorge der Europ a union neuerdings im Busfernverkehr anlegen mußte, schlossen nicht. Da aber die Piefkes nicht da waren, störte es niemanden, weil niemand von den Südlä n dern hier Lust hatte, wie ein Bernhardiner angebunden zu reisen. Viva la suerte! So erreichten wir mit nur einer Stunde Verspätung Burgos, wo wir eigentlich e i ne Stunde Rast hätten haben sollen, die jedoch wegen der Verspätung ausfiel, und wir statt dessen durch den riesigen Busbahnhof hin und her gejagt und - wie es mir schien - wahllos auf andere Busse verteilt wurden. Mit all dem daraus r e sultierenden Chaos. Zu diesem Zeitpunkt wußte wohl keiner der Passagiere mehr, wo sich sein Gepäck befände, oder gar er selbst hin transportiert würde. Später stellte sich heraus, daß die Busfahrer essen gegangen sind und das G e päck im Bus versperrt ließen. Sogar der immer optimistische Armin kam hier zum Schluß, einen Fehler gemacht zu haben, als er sich aus Abenteuerlust für den Bus statt das Flugzeug entschied. Dabei war die Sache doch ganz einfach. Alle Busse, egal wohin sie unterwegs waren, fuhren zunächst mal nach Paris. Warum aber unser Bus ausschließlich mit nach Deutschland heimkehrenden portugiesischen Gastarbeitern besetzt war, blieb mir rätselhaft. Die Portugiesen, inzwischen längst im Rentenalter, verbrachten nur den Sommer in ihrer Heimat, wo sie meist stattliche Immobilien besaßen, und kehrten nun wieder nach Deutschland zurück, wo sie ihr ganzes Leben verbrachten und als ihr eigentl i ches Zuhause ansahen. Sie waren im Gegensatz zu den Piefkes alle sehr lieb und zuvorkommend und wären ideale Reisebegleiter, hätten sie nur die Klappe ha l ten können. Einer, der hinter mir saß, sprach ununterbrochen die ganze lange Reise, mit der Ausnahme von den paar Stunden, die er verschlief. Nach einer gewissen Zeit war es wie ein Stachel im Hintern. Als ich es irgendwo in Schw a ben nicht mehr aushielt und ihn sehr höflich bat, wenigstens fünf Minuten zu schweigen, entschuldigte er sich auf eine nette Art für die Störung und hielt di e se fünf Minuten Sprechverbot auf die Sekunde genau ein. Danach sprudelte er fröhlich bis nach München weiter.
Vorerst aber befuhren wir die kastilische Hochebene und ich verfolgte wieder aufmerksam die Strecke, in der Hoffnung, etwas von dem beinharten Camino zu entdecken, auf dem ich
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