Bis ans Ende der Welt (German Edition)
im Gästehaus der Inge n bohler Schwestern kurz davor. Ein sauberes, gemütliches Zimmer - sogar mit Schreibtisch, Sessel, Radio, eigenem Bad, Blumen und Obst, beheizt! Ein ung e heuerer Luxus, wohl wie alles in der Schweiz nur gegen Gebühr, doch liebevoll dargereicht. Ob Vesper, Komplet, Laudes oder die heilige Messe – überall sind die Gäste willkommen, man redet sogar mit ihnen. Ich erfuhr einiges über die originelle, moderne Kirche, über die Geschichte des Ordens. Es habe über vie r tausend Mitglieder, darunter auch in Mittel- und Osteuropa. Alles zu Zeiten, wenn andere Klostergemeinschaften von der Schließung bedroht sind. Noch drei Pilgerinnen waren da, ältere Frauen. Als ich am nächsten Tag nach Morgengebet und Messe zum Frühstück kam, waren sie schon weg. Ich hatte den Frühstück s raum für mich allein und plauderte noch ausgiebig mit der Gastschwester. Es machte meinen Tag irgendwie schöner. Mehr noch die Meßlesung aus dem K o rintherbrief über die Liebe: Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit ve r setzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede ve r stummt, Erkenntnis vergeht. [17] Ein Weg, der alles übersteigt.
Bevor ich gegangen war, segnete ich das Haus im Namen des Herrn mit dem heiligen Wasser aus dem Kloster. Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr we n de sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil. [18] Das tat ich gelegentlich, wenn ich mich vom Wohl gerührt fühlte. Gutes bedarf des Segens, damit es nicht ve r dirbt. Ich tat es aber stets heimlich und verschämt, da ich solcherlei Dinge noch nicht so richtig gewöhnt war. Aber ich glaube an die Kraft des Segens, und der Herr war ja dabei.
Stans, km 566
Mit gutem Gefühl marschierte ich durch die menschenleere Stadt. Trotz Pull o ver fror ich wie ein Hund. Spätestens an der Anlegestelle war klar, daß es wieder mal regnen wird. Nicht auszudenken, daß ich mich über die entgangene Sege l saison damit hinweg tröstete, der Sommer werde nach dem miesen Winter s o wieso kalt und regnerisch werden. Wie bequem hätte ich jetzt auf dem Sege l boot in der Koje liegen, lesen und dösen können. Fruchtlose Gedanken denn, der Weg war noch lang. Aber ich wärmte mich daran. Unten am Steg warteten ta t sächlich einige wenige Touristen auf die Fähre. Echte Enthusiasten wohl. Ich freute mich immer, wenn ich mit dem Boot fahren konnte. In Treib, auf der a n deren Seeseite, war das Wasser tiefgrün und glatt wie Öl, darüber empor sich ein gewaltiger bewaldeter Steilhang. So viel sinnige Schönheit liegt in der Schö p fung. Doch die Besatzung verrichtete nur ihre Arbeit und sah gar nicht hin. Kann man denn nur staunend durchs Leben wandern? Auch schien die Frau K a pitän heute einen speziellen Kummer zu haben. Als ich am Ausgang anlangte, war es fast schon zu spät. Bis ich dumm schauen konnte, war das Boot wieder unterwegs. Fähren kehren bekanntlich nicht wieder um, und wer weiß, wo der nächste Hafen war. In Luzern? Also sprang ich. Es war reine Reflexhandlung – etwas unüberlegt. Vielleicht neige ich dazu. Erst kürzlich sprang ich so aus dem fahrenden Zug und verfehlte nur knapp einen Laternenmast. Jedenfalls nicht sehr gescheit. Eine Weile stand es auch auf der Kippe. Das Schiff beschleunigte schneller, als ich dachte. Wie es halt im Leben so ist. Noch schwebte ich uns i cher in der Leere, dann landete ich hart an der Stegkante zwei Meter über dem Wasser. Zum seichten Ufer zu schwimmen wäre wohl noch möglich gewesen, aber den Rucksack und die Stiefel hätte ich opfern müssen. Es war ein tiefes Wasser, und
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