Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
stöhnte noch mehr.
»Manchmal bist du wirklich ein Blödmann«, sagte Mathilda grinsend und schlüpfte in den Flur hinaus.
Das Haus roch angenehm nach altem gewachstem Holz und auch ein bisschen nach Teppichmuff, was Mathilda aber nicht störte. Im Gegenteil, irgendwie erinnerte dieser Duft sie an Opa Heinrichen und ließ ein heimeliges Gefühl in ihr aufsteigen. Mathilda hüpfte bis zum Vorraum, wo Brigitte Wallis sie in Empfang genommen hatte. Ganz anders als ihre Schwägerin aus dem Minisupermarkt hatte sie eine kleine, drahtige Statur. Ihre Augen leuchteten hübsch und hell und ihre Bewegungen waren flink und voller Energie.
»Deine Eltern sind noch in ihrem Zimmer in der oberen Etage«, sagte sie, als sie Mathilda bemerkte. »Und der Hund spielt draußen im Garten.«
»Gefällt er Ihnen?«, fragte Mathilda.
Brigitte Wallis zuckte mit den Schultern. »Der Schwiegervater hatte mal so einen für die Jagd«, erwiderte sie. »Leider ist die arme Tranki vor eineinhalb Jahren gestorben undseither …« Sie brach ab und zuckte noch einmal mit den Schultern.
»Oh«, sagte Mathilda, »das tut mir leid … Ähm, hätten Sie vielleicht ein Telefonbuch?«, fragte sie dann.
»Ja, ja, natürlich.« Die junge Frau bückte sich und zog ein dünnes Büchlein unter dem Tresen hervor. »Bitte schön«, sagte sie und deutete auf einen schmalen Gang, der zu den Toiletten führte. »Dort findest du auch einen Apparat.«
»Vielen Dank«, sagte Mathilda. »Das ist wirklich sehr nett. Aber ich habe meinen eigenen.« Sie nahm das Telefonbuch vom Tresen und spazierte damit in den Gastraum.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatte sie gefunden, was sie suchte. Doch bereits wenige Minuten später und nach einem weiteren Telefonat war ihr klar, dass sie Plan 3 leider in die Tonne treten konnte. Na ja, vielleicht war es sowieso besser, wenn Oskar die Angelegenheit mit seinem Vater selbst in die Hand nahm.
An diesem Tag fiel das Abendessen für von Dommelsche Verhältnisse außergewöhnlich bescheiden aus.
Mathildas Vater war noch einmal zum Supermarkt gefahren und hatte dort ein Päckchen Brotschnitten, einen kleinen Becher preisgünstige Margarine, ein Stück Fleischwurst und vier Scheiben Schweizer Käse gekauft. Anschließend hatte er sich unter dem Vorwand, dass einer ihrer Kofferverschlüsse klemme, bei Brigitte Wallis ein Küchenmesser ausgeliehen. Und nun saßen sie alle miteinander wie die Hühner auf der Stange auf der Kante des elterlichen Doppelbetts und futterten die Brote, die Barbara von Dommel ihnen geschmiert und belegt hatte.
»Ich habe noch einmal mit der Bank telefoniert«, sagte Mathildas Vater, nachdem er den letzten Happs heruntergeschluckt und sich die Finger mit einem Kosmetiktuch abgewischt hatte. »Ich habe dort diese Adresse angegeben und darum gebeten, die neue Scheckkarte hierher zu schicken.«
»Aha«, meinte Mathilda zwischen zwei Bissen. »Das heißt also, wir bleiben hier, oder?«
Herr von Dommel nickte. »Jawohl, das heißt es. Zumindest vorerst. Mit dem restlichen Benzin im Tank kommen wir ohnehin nicht mehr bis Italien.«
Mathilda drückte Oskar ihren Ellenbogen in die Seite, woraufhin Oskar vor lauter Freude fast aufgequietscht hätte.
»Es ist mir allerdings ein Rätsel, was das Navigationsgerät dazu veranlasst hat, uns ausgerechnet in dieses winzige Nest zu lotsen«, fuhr ihr Vater unterdessen fort. »Ich habe es vor unserer Abreise aus Vielendorf nämlich ganz sicher auf Ovada programmiert.«
»Ich sag doch, diesen Dingern kann man nicht trauen«, erwiderte seine Frau.
Barbara von Dommel hatte sich zum Abendessen ein rubinrotes Satinkleid angezogen. Ihr dunkles Haar war auftoupiert und verströmte den Duft eines exklusiven Haarsprays, außerdem hatte sie ein festliches Glitzer-Make-up aufgelegt. Ihre gesamte Erscheinung hob sich auf geradezu spektakuläre Weise vom Rest der Umgebung ab. Sie wirkte viel zu fein und elegant, als dass man ausgerechnet ihr etwas Unseriöses,und sei es auch nur eine kleine Lüge, unterstellen würde. Trotzdem fiel Ronald von Dommels Verdacht zunächst auf sie.
»Du hast doch nicht etwa daran herumgefummelt?«, fragte er scharf.
»Ich?« Mathildas Mutter presste sich mit theatralischer Geste die Hand auf die Brust. »Wann, bitte schön, hätte ich das denn tun sollen?« entgegnete sie empört.
Tun
können
, wäre die richtige Formulierung gewesen, dachte Mathilda »Vielleicht hat der Bordcomputer sich durch die lange Pause an der Raststätte von
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