Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
begeistert.
»Ach, das ist doch wirklich mal etwas anderes!«, rief sie und stöckelte mit ihrem Kosmetikkoffer in der Hand wie eine Filmdiva hinter den Kindern her. »Im Veilchenweg ist man nur eine von vielen, hier jedoch fällt unsereins sofort als jemand Besonderes auf.«
»Das muss nicht unbedingt ein Vorteil sein«, grummelte Herr von Dommel, der ihnen mit dem restlichen Gepäck gefolgt war.
»Was glaubst du … wie hat dein Vater das gemeint, als er sagte, dass es nicht immer von Vorteil ist, wenn man irgendwo auffällt?«, fragte Oskar, als Mathilda kurz darauf die Tür ihres Extrazimmers hinter ihnen abgeschlossen hatte.
»Das hat doch mit Glauben nix zu tun«, erwiderte sie, schleuderte ihren Rucksack in die nächste Ecke und warf sich bäuchlings auf eines der beiden Betten.
Oskar runzelte die Stirn. »Sondern?«
»Mit Wissen natürlich«, murmelte Mathilda in die graublaue handgestrickte Überdecke. Sie hob den Kopf und sah Oskar über die Schulter hinweg an. »Oder besser gesagt, mit Kombinationsgabe.«
Oskar nickte, dabei war ihm eigentlich nur so ungefähr klar, was sie damit meinte. Langsam ließ er sich auf das andere Bett sinken, das direkt unter dem schmalen Sprossenfenster stand, und schaute sich im Zimmer um. Außer den beiden Betten gab es einen Kleiderschrank, dessen Türen ein wenig windschief in den Angeln hingen, eine altmodische Frisierkommode, einen kleinen runden Tisch und zwei Stühle, deren Sitzpolster schon ziemlich zerschlissen waren. Auf dem Holzbodenlagen bunte Flickenläufer und die Wände waren mit einer verblichenen Blumentapete, einem Ölbild im Goldrahmen und einem Christuskreuz verziert. In einer Nische neben dem Kleiderschrank waren ein Waschbecken, ein Spiegel und ein paar Plastikhaken angebracht. Eine weitere Tür, die möglicherweise in ein Badezimmer geführt hätte, gab es nicht.
»Keine Dusche«, murmelte Oskar. »Genau wie bei Opa Heinrichen.«
»Himmel noch eins!«, stieß Mathilda hervor. »Opa Heinrichen!«
Mit einem Satz war sie wieder auf den Beinen.
»Was ist denn mit ihm?«, fragte Oskar.
»Ich muss ihn unbedingt anrufen«, sagte Mathilda.
Sie klaubte ihren Rucksack vom Boden auf, kramte ihr Handy hervor und tippte auf den Tasten herum. »Hoffentlich ist er nicht gerade im Garten. Dort hört er das Telefon nämlich garantiert nicht.«
»Was willst du denn von ihm?«, bohrte Oskar weiter. »Meine Mutter hat ihm bestimmt längst gesagt, dass wir in den Urlaub gefahren sind.«
»In den Urlaub – ts!« Mathilda tippte sich an die Stirn. »Das glaubst du doch wohl nicht wirklich!« Sie hob das Handy an ihr Ohr und lauschte angespannt. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. »Ja, Opa Heinrichen!«, rief sie. »Ja, ja … Hier ist Mathilda!« Sie lächelte und nickte. »Ja, Oskar ist auch hier. Er sitzt neben mir auf dem Bett. – Was? – Ja, es ist toll hier.«Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Nein, wir sind nicht in Italien. Wir sind in der Schweiz, ganz in der Nähe von …« Sie brach erschrocken ab und sagte: »Hör zu, Opa Heinrichen, das darfst du Frau Habermick auf keinen Fall erzählen.« Dann nickte Mathilda wieder. »Ja, natürlich, sobald alles geklärt ist«, fuhr sie fort und erkundigte sich schließlich: »Und sonst? Geht alles seinen Gang?«
Auf diese Frage schien Opa Heinrichen etwas länger antworten zu können, denn nun lauschte Mathilda eine ganze Weile in ihr Handy. Ab und zu nickte sie oder gluckste vor sich hin und verabschiedete sich am Ende schließlich mit den Worten: »Ach, das ist egal. Hauptsache, wir können überhaupt jemanden überraschen.«
Oskar senkte den Kopf und starrte auf seine Knie. Zu gerne hätte er Mathilda gefragt, was sie mit Opa Heinrichen so Tolles zu besprechen gehabt hatte, sein Gefühl sagte ihm allerdings, dass sie ihm wahrscheinlich wieder einmal nichts darüber verraten würde.
Und damit lag er offensichtlich richtig. Mathilda kappte die Verbindung, lächelte ein paar Sekunden selig vor sich hin und schoss dann vom Bett auf.
»Was ist los, Oskar Habermick?«, fragte sie.
»Nix«, sagte Oskar. Er zipfelte mit den Fingern an der Überdecke herum und starrte weiter auf seine Knie.
»Bestimmt bist du bloß ein bisschen müde«, meinte Mathilda. Sie tätschelte ihm kurz die Schulter und hechtete zurTür. »Ruh dich ein wenig aus. Ich habe noch eine Kleinigkeit zu erledigen.«
»Ja, ja«, sagte Oskar. Stöhnend ließ er sich nach hinten überkippen, donnerte mit dem Kopf gegen den Fenstersims und
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