Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
gemacht!«
Sie löste ihren Sicherheitsgurt, öffnete die Beifahrertür und machte Anstalten auszusteigen.
»Ist ja schon gut«, lenkte Mathildas Vater grummelnd ein. »Ich bin zwar der Haushaltsvorstand, aber ihr seid in der Überzahl.« Er zog seine Frau in den Wagen zurück und schob den Automatikhebel auf D. »Schnall dich bitte wieder an«, sagte er. »Wir halten gemeinsam nach einer Pension Ausschau.«
»Ganz wie du willst.« Barbara von Dommel ließ die Tür ins Schloss zurückfallen und rastete den Gurt ein. Anschließend drehte sie sich zu Oskar und Mathilda um und lächelte triumphierend.
Latern war ein winziger Ort, viel kleiner noch als Vielendorf. Er lag inmitten von saftigen Feldern, grünen Wiesen und einem herrlichen Wald in einem kleinen Tal.
Es gab ein paar Wohnhäuser und einen Bauernhof, eine Kirche, einen Friedhof und einen Laden, in dem man angefangen bei Leberwurst und Birnen über Schrauben, Handfeger und Gartenschlappen alles kaufen konnte, was man zum Leben brauchte.
»Das Toilettenpapiersortiment ist bedenklich übersichtlich«, stellte Ronald von Dommel fest, als sie sich durch die schmalen Gänge zwängten und schließlich auf den Verkaufstresen zuhielten.
Eine kräftig gebaute junge Frau, die eine grob gewebte Kittelschürze und ein buntes Kopftuch trug, blickte ihnen neugierig entgegen.
»Grüezi mitenand«, sagte sie. »Kann ich den werten Herrschaften behilflich sein?«
»Das wäre wirklich sehr nett«, erwiderte Barbara von Dommel. Sie glättete ihre Frisur, reckte das Kinn elegant hervor und stöckelte zum Tresen. »Vielleicht können Sie uns eine nette Pension empfehlen?«
»Hier im Ort gibt es nur eine einzige, die Wallissche«, entgegnete die Frau. »Sie wird von meiner Schwägerin geführt«, setzte sie hinzu und musterte Mathildas Mutter ein wenig abschätzig.
»Wenn Sie der Straße weiter folgen und die Augen offen halten, können Sie sie gar nicht verfehlen«, fuhr sie in abgehacktem Schweizer Dialekt fort. »Sie liegt ungefähr zweihundert Meter hinter dem Ortsausgang unmittelbar am Abzweig zur Kurklinik.«
Oskar stockte das Herz. Obwohl er eben diesen Rückfall erlitten und sich noch einmal zum Zählen hatte hinreißen lassen, meinte es das Schicksal offenbar gut mit ihm. Jetzt konnte er es kaum noch erwarten, seinen Vater zu sehen.
»Wenn diese Unterkunft Ihrer Schwägerin gehört, werden Sie uns sicher sagen können, was uns dort eine Übernachtung mit Frühstück kosten wird«, mischte Ronald von Dommel sich ein.
Die Verkäuferin kniff die Augen zusammen. »Ein Doppelzimmer mit zusätzlichen Liegen oder ein Extra-Zimmer für die Kinder?«, fragte sie harsch.
»Ein Extrazimmer natürlich!«, rief Mathilda.
Ihr Vater warf ihr einen erbosten Blick zu. Erst jetzt bemerkte er den weißen Jack Russel, den sie auf dem Arm trug, und wollte etwas sagen, doch seine Frau ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Natürlich ein Extrazimmer«, bekräftigte Barbara von Dommel lautstark und reckte ihr Kinn noch ein wenig weiter hervor.
Dass sie wenige Stunden zuvor noch der Meinung gewesen war, dass man zwei Kinder dieses Alters und unterschiedlichen Geschlechts keine Sekunde allein lassen dürfe, hatte sie offenbar vergessen.
»Das macht zusammen achtundvierzig«, brummte die Frau hinter dem Tresen.
»Super«, sagte Mathilda. »Wir nehmen es!« Sie machte eine Kehrtwendung, flitzte zum Ausgang und sprang auf die Straße hinaus. »Komm, Oskar, wir gehen zu Fuß!«
Ihr Vater protestierte, aber Mathilda hörte nicht auf ihn, sondern drückte den Terrier fest gegen ihre Brust und rannte an der Kirche vorbei in Richtung Ortsausgang.
Oskar folgte ihr, so schnell er konnte.
»Mensch, wo willst du denn hin?«, keuchte er, als er sie endlich eingeholt hatte.
»Zur Pension natürlich«, schnaufte Mathilda. »Bevor meine Eltern dort vorfahren.«
»Und dann?«, fragte Oskar. »Was machen wir mit dem Hund?«
»Keine Ahnung. Lass dir was einfallen!«
»Ich?«, stieß Oskar hervor. »Wieso ich?«
»Wieso nicht?«, knurrte Mathilda zurück.
»Weil
ich
ihn nicht mitgenommen habe!«
Mathilda verdrehte die Augen. »Tolle Wurst«, stöhnte sie. »Echt. Es ist doch immer wieder Gold wert, wenn man sich felsenfest auf seinen besten Freund verlassen kann.«
Oskar schluckte. Mit einem Schlag wich alle Kraft aus seinen Muskeln. Er blieb stehen, sackte in sich zusammen und fing an zu heulen.
Mathilda merkte, dass Oskar nicht mehr mitkam, und stoppte ebenfalls. Sie wirbelte herum und
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