Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
Vom Netzwerk:
Soldaten nach Sydney gekommen waren, Truppen, die zur Verstärkung der australischen Streitkräfte an der Front im Pazifik eingesetzt werden sollten. Wegen der amerikanischen Rassentrennungsgesetze durften die Schwarzen die meisten Restaurants und Hotels in Sydney nicht betreten und selbstverständlich auch nicht das vornehme Trocadero. Der Booker T. Washington Club war das einzige Etablissement weit und breit, zu dem farbige GIs Zutritt hatten. Pearl war bis dahin noch nie einem Schwarzen persönlich begegnet, ganz davon zu schweigen, dass sie mit einem von ihnen in einer Band gemeinsam gespielt hätte.
    Der kleine Konzertsaal war seitlich an eine alte Villa angebaut, und als die Zwillinge sich dem Gebäude näherten, drang ein Klarinettentriller durch die offenen Fenster. Pearl wurde vor Aufregung und Vorfreude ganz flau im Magen. Sie hasteten die Treppe empor, um auf den äußeren Umgang zu gelangen, dabei schlugen ihnen ihre Instrumentenkästen gegen die Beine. Pearl konnte die Musik hier viel deutlicher hören; drinnen spielten sie eine rasend schnelle Version von Basin Street Blues . Sie konnte es nicht fassen, dass sie gleich zum ersten Mal einen ausschließlich von Schwarzen frequentierten Club betreten und Jazzmusik für diejenigen Menschen spielen würde, die als deren Erfinder galten. In diesem Augenblick war sie nicht nur einfach aufgeregt, sondern sie hatte das Gefühl, selbst aufregend zu sein.
    Martin drückte die Eingangstür auf und stieß um ein Haar mit einer jungen australischen Ureinwohnerin zusammen, die offensichtlich für den Einlass zuständig war. Ihre Haut war bräunlich wie helles Mahagoni, also nicht so ebenholzschwarz wie bei den meisten GIs, die Pearl bereits auf den Straßen der Stadt gesehen hatte. Die junge Aborigine trug ein graues Crêpe-Kleid, das ihr viel zu groß und in viele Falten zusammengerafft war.
    »Hallo, Roma!«, begrüßte Martin sie. »Das ist meine Schwester Pearl«, erklärte er und fügte überflüssigerweise hinzu: »Meine Zwillingsschwester.« Die beiden Geschwister waren groß und sehr schlank, mit kindlich-puppenhaften Gesichtern und veilchenblauen Augen unter schweren Augenlidern. Pearls aschblondes Haar war eine Spur heller als das von Martin. An diesem Abend hatte sie es zu einem lockeren Knoten hochgebunden und ihn mit ein paar Stricknadeln befestigt. Wegen der Feuchtigkeit hatten sich die Haarsträhnen zu Löckchen gekringelt.
    Roma runzelte beim Anblick von Pearl die Stirn. Streng genommen war weißen Frauen der Zutritt zum Club nicht erlaubt, das war klar, doch Martin hatte gegenüber Pearl wiederholt behauptet, dass dieses Verbot nicht sehr streng gehandhabt wurde.
    »Sie ist hier, weil sie in der Band mitspielen soll, Roma.«
    Die Aborigine stemmte eine Hand in die Hüfte und schürzte die Lippen.
    »Na, hör mal, Baby, gib dir einen Ruck!« Martin stellte seinen Instrumentenkasten ab, nahm Roma in die Arme und tanzte mit ihr über die schwarz-weißen Fliesen im Eingangsbereich. Pearl war ein wenig schockiert angesichts der spontanen körperlichen Nähe zwischen den beiden, die fast schon eine Art von zärtlicher Intimität war.
    Roma warf den Kopf zurück, wobei sich ihr schwarzes Haar löste und ihr um die Schulter wirbelte. Das betonte ihren langen, schmalen Hals. Eher halbherzig versuchte sie, sich aus seiner Umarmung zu befreien, was nur zur Folge hatte, dass er sie noch näher an sich heranzog und festhielt. Es wirkte so, als sei Roma Martins Zwillingsschwester und Pearl die Außenseiterin. Als das Musikstück endete, führte Martin seine Partnerin tänzerisch in eine so tiefe Beuge, dass ihre Haarspitzen den Boden berührten.
    Nachdem er sie wieder aufgerichtet und sie ihr Gleichgewicht gefunden hatte, gab sie ihm spielerisch einen Stoß vor die Brust. Mit bemüht ernsthafter Miene zeigte sie dann auf Pearl. »Kraftausdrücke sind nicht gestattet. Tanzen ebenfalls nicht und auch kein Herumflirten mit den Jungs.« Sie blinzelte zu Martin hinüber und unterdrückte ein Lächeln. »Damit das klar ist.«
    »Hört, hört!«, erwiderte er.
    Pearl hob den Arm an die Stirn wie zu einem militärischen Salut. »Aye, aye!«
    »Und lassen Sie mir noch ein bisschen Platz auf Ihrer Tanzkarte, Käpt’n«, fügte Martin hinzu und legte seine Hand sacht auf Romas Schulter. »Später möchte ich mit dir noch eine kesse Sohle aufs Parkett legen!«
    Roma kicherte und nahm wieder ihren Posten am Eingang ein. Pearl folgte Martin durch eine Bibliothek, an deren W

Weitere Kostenlose Bücher