Bis auf die Haut
Brust ruhen. Manchmal umklammert er deine Hand und hält sie wie in einer Falle gefangen, und wenn du sie wegziehst, packt er sie noch fester und es wird ein Spiel daraus, dich wieder zu befreien.
Aber nur du kicherst, im tiefen Dunkel.
6. Lektion Eine junges Weib kann nicht aufmerksam genug seyn
Warum ziehst du denn deine Socken an, fragst du.
Weil ich ins Zimmer zurückgehe, Schatz.
Aber wir sind doch gerade erst gekommen, Brummbär. Deine Badehose ist noch nass.
Ich weiß, aber ich habe eine wichtige Verabredung vor dem Fernseher. Kommst du mit?
Nein, ich bleib noch ein bisschen.
Du hast leise Schuldgefühle wegen deiner Abfuhr, denn Cole braucht dich sehr; er äußert seine Bedürfnisse lautstark, fast bockig wie ein kleiner Junge. Aber deine Haut saugt dieses harte marokkanische Licht auf wie die Wüste den Regen, du spürst, wie sich dadurch etwas in dir entfaltet. Hier drischt das Licht auf dich ein, in England leckt es gerade mal an dir. Coles Haut und Augen schrecken vor diesem Licht zurück, seine Haut ist fast durchscheinend, und er zieht sich häufig nach drinnen zurück. Nicht nur im Urlaub, auch in London. Er zieht sich gewohnheitsmäßig zurück. An seinen Arbeitsplatz, wo er bis in die späten Abendstunden bleibt, vor den Fernseher oder ins Bad. Dein Mann kann eine Dreiviertelstunde auf dem Klo hocken. Wenn du dich neben ihn aufs Sofa setzt, geht er zum Sessel hinüber, ohne zu merken, was er da tut, wenn du ihm im Bett deine Hand auf die Lenden legst, schüttelt er sie ab. Er dreht dir beim Schlafen häufiger den Rücken zu als das Gesicht.
Aber selbst wenn er fort ist, braucht er dich in seiner Nähe. Du wärst sein Leben, hat er zu dir gesagt. Die Heftigkeit seines Bedürfnisses gefällt dir, du willst gern so gebraucht werden. Von allen Männern, die du attraktiv findest, ist Cole der einzige, mit dem du dich ohne die Angst vor einem peinlichen Schweigen unterhalten kannst, das sich mitten im Gespräch auftun könnte wie eine leere Autobahn. Ohne die Angst, etwas Lächerliches zu sagen und dich bloßzustellen, mit der Lippe zu zittern oder zu erröten. In Coles Nähe gehorcht dir dein Körper, du hast dich unter Kontrolle, kannst dich entspannen. Das ist einer der Gründe, warum du ihn geheiratet hast. Du fühlst dich wohl mit ihm, brauchst nicht allzu sehr zu schauspielern, du kannst – fast – du selbst sein. Niemanden sonst lässt du so nahe an dich heran.
7. Lektion Dem Tanze gebet ganz euch hin
Dein großer Zeh wird nachsichtig geküsst, als du die Arme wie eine Filmdiva auf dem Liegestuhl nach hinten wirfst und erklärst, du würdest noch etwas länger am Pool bleiben. Keiner von euch beiden hat bisher etwas von der fremden Stadt gesehen, obwohl ihr schon seit vier Tagen hier seid. Theo würde euch dafür ausschelten, aber die Ehe hat dich bequem gemacht und deine Neugier gedämpft. Die am Flughafen auf euch einstürmenden Eindrücke – Massen verschleierter Menschen, Gepäckberge, mit Maschinengewehren bewaffnete Wachen, schreiende Kinder – waren doch etwas überwältigend, sodass ihr euch beide gern eine Weile im Hotel einigelt. Das Hotel könnte aus dem Film
Shining
stammen, mit breiten Korridoren im Art-déco-Stil, einer unwirklich menschenleeren Lobby und dem nostalgischen Flair einer längst vergangenen Dekadenz. Eine Bastion des französischen Kolonialismus, die heute von reichen Europäern besucht wird, allerdings nicht von genügend, um sie mit Leben zu erfüllen. Unter den Gästen sind keine Muslime. Vielleicht finden sie das Hotel zu lächerlich, ungastlich oder verschroben, aber es gibt niemand, den du danach fragen könntest.
Früher hättest du nach Antworten geforscht, berstend vor Neugier. Heute bist du fast zu träge, um überhaupt Interesse dafür aufzubringen, denn du bist zerstreut, auf herrliche Weise abgelenkt. Du sitzt am Rand des Pools, plätscherst mit den Fingerspitzen im kühlen Wasser und erinnerst dich an etwas, was du in der
Times
von gestern gelesen hast: Der Drang zu denken überkomme die Zufriedenen nur selten. Du lächelst, na und, und winkst einen Poolkellner herbei, um noch einen Bellini zu ordern. So was von köstlich! Noch nie hast du dir den Luxus des Faulenzens gegönnt oder vier Bellinis nacheinander.
Ein Esel zieht einen Karren mit Gartenabfällen durch die Rosenlaube, die den Weg durch den Hotelgarten überspannt. Ein Mann schnalzt über dem Rücken des Tieres schwerfällig mit der Peitsche. Endlich etwas Einheimisches. Du musst
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