Bis aufs Blut - Thriller
aber jetzt könne ihn niemand ausfindig machen. Das schien sie nicht weiter zu beunruhigen, solang es ihm gutging.
Ja, es ging ihm gut, jedenfalls mehr oder weniger. Aber er hatte im Staat Washington ein paar Scherben hinterlassen.
Hoffer wusste, dass die Eltern nicht der einzige Grund waren, aber sie waren immerhin ein nachvollziehbarer. Er wusste wirklich nicht, warum er den D-Man nicht getötet hatte. Vielleicht wollte er kein weiteres Menschenleben auf dem Gewissen haben. Er hatte Michael Weston erzählt, er hätte noch nie einen Menschen getötet. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit.
Hoffer war seit Jahren dabei, sich selbst zu töten.
Die Zeitungen stellten zwischen dem D-Man und den Ereignissen um Kline und Provost natürlich keinerlei Verbindung her. Hoffer hätte das für sie tun können, aber er hielt sich lieber zurück. Er zog es vor zu warten. Wartete auf eine Nachrichtenflaute, auf die Sauregurkenzeit, in der leere Seiten und Sendeminuten danach schreien würden, mit was auch immer gefüllt zu werden. Dann wäre der Moment gekommen, der richtige Zeitpunkt, aus dem Schatten zu treten und seine Story, vielleicht sogar auch seine Fotos, vorzulegen und zu berichten, wie er den D-Man zur Strecke gebracht und getötet hatte. Natürlich gab es keine Leiche, aber das konnte nur bedeuten, dass Hoffer sie irgendwie hatte verschwinden lassen.
Er würde sich was ausdenken.
Einstweilen ernährte er sich von Zeitungsartikeln, von neuen Meldungen über einen Mann, der mit einer Schussverletzung in ein Krankenhaus in der Nähe von Seattle eingeliefert worden war. Über eine geheimnisvolle Frau, die ihn dort abgesetzt hatte. Dann war da noch von Provosts Luxushaus in Seattle die Rede. Wie konnte man das Blut auf dem Badezimmerfußboden erklären oder die Handschellen, die an einem Wasserrohr gehangen hatten?
»Besser als Kino«, sagte er sich, gerade als Donna mit seinem Frühstück kam.
»Ha’m Se was gesagt?«
»Ja«, sagte Hoffer, »ich sagte: Hätten Sie Lust, bei Gelegenheit mit mir ins Kino zu gehen?«
»Träum weiter, Schätzchen«, sagte sie, »träum weiter.«
Vierter Teil
30
Nicht nur spazierte Spike aus diesem Krankenhaus, ohne auch nur mit einem Wort gesagt zu haben, wie er sich die Schussverletzung zugezogen hatte; nicht nur stellte er fest, dass alle seine Rechnungen bezahlt worden waren, sondern es gelang ihm auch noch, die Polizeidienststelle ausfindig zu machen, die den Trans-Am in Verwahrung genommen hatte, und ihn wieder loszueisen. Er schickte über die üblichen Kanäle ein Foto. Es zeigte Jazz und ihn, wie sie an den Wagen gelehnt standen. Quer über das Foto waren die Worte »Ein Stückchen Himmel« gekritzelt.
Ich für meinen Teil behauptete, ein Tourist zu sein, dem Straßenräuber versucht hatten, die Reiseschecks abzunehmen. Das interessierte eigentlich keinen, dazu waren alle zu sehr damit beschäftigt, sich zu fragen, was auf der Olympic-Halbinsel wirklich passiert war. Jeder hatte eine Theorie auf Lager. Alle waren ziemlich an den Haaren herbeigezogen, und jede Einzelne von ihnen war glaubwürdiger als die Wahrheit. Na ja, jede außer der einen, die in den Weekly World News veröffentlicht wurde.
Eines Tages brachte man Sam Clancy ein Päckchen an sein Krankenhausbett. Es enthielt seinen Walkman mit einer schon eingelegten und abspielbereiten Kassette. Ich wusste nicht, was Sam mit Jeremiah Provosts Geständnis anfangen würde. Es ging mich auch nichts an, war nicht mehr mein Problem.
Sobald wir konnten, verließen Bel und ich die USA. In London verbrachten wir eine gemeinsame Nacht im Hotel, dann fuhr sie zurück nach Yorkshire. Sie hatte jede Menge Aufräumarbeit vor sich und fragte mich, ob ich wohl jemanden kannte, der am Ankauf einer halben Tonne ausgemusterter Waffen interessiert sein.
Oh, ein paar Namen fielen mir da schon ein …
Es war ein nieseliger Londoner Vormittag, als ich die Kanzlei von Crispin, Darnforth, Jessup erreichte. Ich schüttelte Regen aus den Haaren, während ich die Treppe hinaufstieg. Ich klopfte an, bevor ich eintrat, und lächelte, als ich auf den Schreibtisch der Empfangsdame zuging.
»Mr. Johns, bitte.« Sie runzelte die Stirn und nahm ihre Brille ab.
»Haben Sie einen Termin?«
»Ich weiß nicht genau.« Sie wartete darauf, dass ich mehr sagte, aber ich stand bloß da, lächelte und tropfte den hellrosa Teppich nass.
»Es tut mir leid, aber er kann niemanden ohne einen Termin empfangen. Er ist heute sehr beschäftigt.«
»Er
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