Bis aufs Blut - Thriller
schriftlichen Anweisungen nicht ausdrücklich vorschreiben kann. Ich musste da ohnehin vorsichtig sein, damit Ihr Verdacht nicht sofort auf mich fällt. Ich muss die ganze Zeit an die falschen Schlüsse denken, die die Medien ziehen könnten. Vielleicht werden sie Freddy verdächtigen oder irgendeinen Feind aus meiner Vergangenheit. Ich bin mit den bosnischen Serben nicht gerade sanft umgegangen; mit den Söldnern übrigens auch nicht. Nicht dass Scotty was davon wüsste; er hat meinen Artikel nie gelesen. Er sagt, er würde nie lesen. Ich weiß, dass er mich für Geld wahrscheinlich selbst töten würde, aber so, anonym, ist es mir lieber. Ich möchte, dass ein Unbekannter mich tötet, und es soll jemand sein, der sein Geschäft besser versteht als Scotty.
Entschuldigen Sie die Tippfehler. Ich habe allmählich ziemlich zittrige Hände. Es gibt Tabletten, die ich nehmen könnte, aber die lassen einen völlig abstumpfen, und bei der wenigen Zeit, die mir noch bleibt, will ich leben , keine dumpfe, verschwommene Illusion von Wohlbefinden. Ich sehe alles so vollkommen klar... Ein einzelner Grashalm besitzt mehr Schönheit als jedes Gemälde, aber jedes Gemälde kann mich zum Weinen bringen.
Ich hoffe, dass meine Zeitplanung stimmt. Ich habe Angst, die Polizei könnte zu früh eintreffen und Sie verschrecken. Ich muss meine Uhr aufziehen. In letzter Zeit vergesse ich das oft. Aber ich bin fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass an meinem letzten Tag alles so laufen wird, wie ich es will. Ich werde Regie führen. Ich frage mich, ob ich die Macht habe, Sie davon abzubringen, anschließend weiter zu töten... Das wäre gut. Ich würde Menschenleben retten und keines opfern. Sagen Sie Geoffrey, dass er mir fehlen wird. Der Gute, er hat mich immer geliebt.«
Dann folgte eine Unterschrift, weiter nichts.
Ich sah den Anwalt an.
»Sie übergab mir zwei Umschläge«, bestätigte er. »Der erste sollte an dem Tag, als sie... starb, geöffnet werden. Ich öffnete ihn um die angegebene Uhrzeit, und da stand, ich solle die Polizei anonym anrufen und sagen, vor dem Craigmead Hotel würde gerade ein Mord stattfinden. Den anderen Umschlag sollte ich im Tresor aufbewahren, bis jemand kommen und danach fragen würde.« In Johns Augen standen Tränen. »Ich habe die Polizei angerufen, aber anschließend auch das Craigmead Hotel, um Eleanor über Lautsprecher ausrufen zu lassen. Sie wurde ausgerufen, aber sie kam nicht ans Telefon. Sie ging einfach hinaus, ohne auf den Aufruf zu achten, und wurde erschossen.«
»Sie hat die ganze Sache selbst inszeniert«, erklärte ich. Das hatte ich bereits die Nacht davor von Shattuck erfahren. Er hatte gewusst, wer meine Auftraggeberin war, aber nicht, dass sie ihr eigenes Opfer sein würde. Als er die Sache in den Nachrichten hörte, suchte er das Weite. Bis letzte Nacht hatte er geglaubt, ich hätte die falsche Person getötet. Aber was das angeht, konnte ich ihn aufklären.
Wer hatte gewusst, was Eleanor Ricks an dem Tag tragen würde?
Nur sie selbst.
Geoffrey Johns putzte sich die Nase. Dann stand er auf und ging an einen Schrank, aus dem er eine Flasche Whisky und zwei Gläser nahm. Er kehrte mir den Rücken zu, während er einschenkte.
»Sie sagte, ich würde Sie erkennen, wenn Sie erst mal da wären... Ich würde wissen, dass ich Ihnen den Umschlag geben solle. Sagen Sie mir bitte, warum hat sie es getan?«
Als er sich wieder umdrehte, hatte ich das Zimmer bereits verlassen. Ich nahm ihr Geständnis mit. Ich war Johns nichts schuldig. Schulden hatte ich nur bei den Toten.
31
Das Dorf war so durch und durch englisch, dass sich einem irgendwie der Verdacht aufdrängte, es könne unmöglich echt sein.
Die Leute jedenfalls sahen eindeutig unecht aus, wie Schauspieler, die ihre jeweiligen Rollen spielten; den Bauerntölpel, den Gutsherrn oder den Pendler. In der Hotelbar hießen alle George, Gerry oder Arthur, ein paar von ihnen trugen Halstücher, und sie tranken alle aus Zinnkrügen. Die Deckenbalken der Bar waren schwarz lackiert und schienen aus Plastik zu sein, waren es aber nicht.
Bel war von dem Ganzen hingerissen, auch von unserem wie aus einem Katalog oder Einrichtungsmagazin stammenden Laura-Ashley-Zimmer. Das Bett war neu und aus Messing und wurde von einem mit Blumenmustern bedruckten Betthimmel überwölbt. Die Tapeten waren, wie die Wirtin uns wissen ließ, handbemalt. Von selbst wäre man nie darauf gekommen, sie sahen einfach nur langweilig aus und waren nicht mal
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