Bis aufs Messer
sprach.«
»Das
dachte ich mir«, sagte sie kalt. »Wir fuhren irgendwohin, ich erinnere mich
nicht mehr, wohin. Stimmt das nicht, Pete?«
»Wir
fahren immer herum«, knurrte er. »Eines Tages wirst du es noch so weit bringen,
daß ich aus der Haut fahre — immer geht es irgendwohin, und nie kommt es zu
was.«
Ich
blickte auf Boler . »Die beiden fuhren zu dem
Zeitpunkt, als Helen Christie ermordet wurde, einfach herum«, sagte ich
spöttisch. »Wir wollen mal sehen, ob die anderen etwas Besseres wissen. Ja? Wie
steht’s mit Ihnen, Hillan ?«
» Vorgestern nacht zwischen elf und zwölf Uhr?« brummte er.
»Lassen Sie mich überlegen. Ich verließ Rafe gegen
halb zehn und ging nach Hause. Meine Frau war zum Bridge spielen weg, und ich
wartete nicht auf sie, sondern ging zu Bett.«
»Allein?«
»Natürlich
allein«, fauchte er.
»Wann
kam Ihre Frau nach Hause?«
»Ich
weiß es nicht, ich wachte erst am Morgen auf.«
»Kein
Alibi«, sagte ich gelassen. »Wie steht’s mit Ihnen, Poet?«
»Mit
mir?« Talbot fuhr zusammen. »Nun, ich war hier im Haus. Ich ging gegen zehn Uhr
in mein Zimmer, glaube ich.«
»Hat
Sie dort jemand gesehen?«
»Nein.«
Ein würdevoller Ausdruck ließ sich auf seinem Gesicht nieder wie eine
heimkehrende Brieftaube. »Ich war schöpferisch tätig.«
»Das
war bis jetzt die dickste Lüge«, brummte ich. »Wie steht’s mit Ihnen, edler
Mime?«
»Ich
war zu Besuch bei einem alten Freund in Santa Monica«, dröhnte Ashberry . Das ist seit Jahren eine Art Ritual. Ich besuche
ihn jeden Montagabend.« Er schüttelte betrübt den Kopf, und seine vier Kinne
bebten mitfühlend. »Armer Kerl! Er macht magere Zeiten durch, wissen Sie. Ich
tue alles, was ich kann, um ihn aufzuheitern; aber die breite Straße des Lebens
ist für ihn derzeit zu einem schmalen Pfad geworden.«
»Ah
so«, sagte ich müde. »Wann sind Sie nach Hause gekommen?«
»Kurz
nach elf, schätze ich. Ja, ich bin sicher, denn ich hörte die Großvateruhr in
der Diele schlagen, als ich unter den Portikus trat.«
»O
nein«, sagte Talbot ernsthaft, »das kann nicht stimmen, John. Sie muß
Mitternacht geschlagen haben. Und du hast dich vielleicht verzählt?«
»Es
war elf, Bruce«, sagte Ashberry geduldig. »Eine
meiner bemerkenswerten Fähigkeiten besteht darin, daß ich fehlerfrei bis
hundert zählen kann.«
»Dann
hast du wahrscheinlich den ersten Glockenschlag nicht gehört«, sagte Talbot.
»Du erinnerst dich, ich war von den ersten drei Zeilen des Sonetts, mit dem ich
begonnen hatte, so inspiriert, daß ich es in dein Zimmer brachte, um dich nach
deiner Meinung zu fragen.«
»Ich
erinnere mich«, brummte Ashberry . »Mitten in der
Nacht!«
»Es
war ungefähr zwölf Uhr dreißig«, sagte Talbot mit verletzter Stimme. »Und ich
muß sagen, du warst sehr kurzangebunden und unzugänglich! Ich kann nicht
verstehen, warum du dir, wenn ich meinerseits schon dem gesamten Hamletschen Monolog lausche, nicht drei kurze Verszeilen
anhören kannst!«
»Ich
bitte zutiefst um Verzeihung, daß ich dich in deiner schöpferischen
Empfindsamkeit verletzt habe, mein lieber Junge«, sagte Ashberry in fast knurrendem Ton, »aber um das zu diskutieren, scheint mir jetzt kaum der
richtige Augenblick zu sein.«
»Oh,
aber ich versichere dir, es ist der richtige Augenblick, John!« Talbots Stimme
klang wie die einer Biene, die einen riesenhaften Honigtopf umschwirrt. »Wenn
diese drei Verszeilen nicht gewesen wären, hätte ich gar nicht gewußt, daß du
dich in der Zeit geirrt hast.«
»Was
soll das heißen?« fragte ich ungeduldig.
»Nun,
ich war durch das Ganze so inspiriert — .« Er lächelte stolz. »Ein subtiler
jambischer Pentameter, der von raffinierter Einfachheit zu sein scheint! Und
das Grundthema besteht im Vergleich eines sanft brodelnden Kaffeetopfs mit
einer schwangeren Bergziege — ich konnte Johns Reaktion einfach nicht abwarten.
Ich ging zwischen zehn Uhr dreißig und Mitternacht dreimal in sein Zimmer, und
er war nie da. Erst bei meinem vierten Besuch gegen halb ein Uhr traf ich ihn
an.« Er lächelte liebevoll in Ashberrys granitenes
Gesicht. »Du siehst also, alter Schatten Garricks, die Uhr hat nicht...«
»Willst
du vielleicht deinen dummen Mund halten!« zischte Ashberry giftig.
»Es
hat also auch sonst niemand ein Alibi«, sagte ich. »Aber Sie sind der erste,
mein lieber Mime, der versucht, sich durch Lügen eins zu verschaffen.«
»Ein
simpler Irrtum«, dröhnte er, »der von meinem kretinösen Kollegen
Weitere Kostenlose Bücher