Bis bald, Sharma!
mir bist“, sagte er und machte schnappende Mundbewegungen dabei.
Vertrauen?
Ach, die Liebe! Die Liebe gleicht einem endlos dahin strömenden Fluss. Sie kennt keinen Schlusspunkt. Wenn du einen Menschen wirklich liebst, gibst du ihm totale Freiheit - das ist ein Geschenk der Liebe. Und wenn du Freiheit gibst, bekommst du unendlich viel Liebe. Wenn du jemandem Freiheit und Vertrauen gibst, hast du das größte Geschenk überhaupt gegeben, dann strömt dir die Liebe entgegen. Liebe ist ein natürliches Bedürfnis, so wie Essen. Wenn du Hunger hast, fühlst du dich natürlich nicht wohl. Ohne Liebe hat unsere Seele Hunger, Liebe ist Seelennahrung. Jemanden lieben bedeutet, Achtung vor der Person zu haben. Es bedeutet, sie nicht auszunutzen. Jemanden lieben bedeutet, seine Liebe zu geben, mit allem, was man hat, ohne jemals zu erwarten, dass man etwas zurückbekommt. Liebe ist es nur dann, wenn man einfach um der Liebe willen liebt.
Ich machte etwas falsch bei meiner Liebe. Ich vertraute Sharma nicht. Aber der Grundstein für die Liebe ist Vertrauen.
Warum nahm ich mir heraus, ihn kontrollieren zu wollen?
Vor was hatte ich so viel Angst?
Warum konnte ich nicht gelassen sein und ihm in jeder Situation vertrauen? Hatte ich einen Grund, ihm zu miss trauen? Hatte er mich jemals enttäuscht? Nein.
Es lag allein an mir.
Was für ein Vorleben hatte ich, dass es mir so ungeheuerlich schwerfiel, ihm vollkommenes Vertrauen zu schenken?
Fühlte ich mich minderwertig? Hässlich?
Bei unserer ersten Begegnung hatte ich mit Rabindranath Tagores Poesie geprotzt:
„Der Schmetterling, der von Blume zu Blume flattert, bleibt immer mein; den ich im Netz gefan gen halte, verliere ich.“
Warum ließ ich meinem indischen Schmetterling keine Freiheit? Ich wusste nur zu gut, dass er diese Freiheit nicht ausnutzen würde, sondern immer wieder aus Liebe zu mir zurückkehren würde - doch ich hatte Angst, die Zügel loszulassen.
Sharma sagte mir: „Wenn du einen Hund an der Kette hast, wird er nicht beißen. Erst wenn du ihn abhängst, wirst du sehen, was er wirklich tut. Gib mir Freiheit und du wirst sehen, dass ic h nichts Schlechtes tue, Jasmin.“
In meinem tiefsten Inneren hatte ich die Vorstellung, dass ich nicht gut genug für ihn war. Deswegen hatte ich Angst und hielt ihn „an der Kette“. Es war na türlich eine versteckte Kette, und ich ließ es mir nicht anmerken, dass ich sie nicht loslassen wollte. Aber er spürte sie. Immer fragte ich ihn, warum er so lange nicht gepiepst hatte auf meinem Handy und was er die letzten drei Stunden getan habe und ob er schon zuhause sei oder wieder weggehe und wenn ja, wohin. Das war absurd! Ich schämte mich für mein Verhalten, wenn ich ihn mit solchen Fragen traktierte, denn in meinem tiefsten Inneren wusste ich auch, wie sehr er mich liebte - und es war echte Liebe, keine berechnende.
Trotzdem wollte ich ihn immer wieder auf die Probe stellen und ihn testen, wie er auf meine Attacken reagierte.
„Warum vertraust du mir denn nicht, habe ich dir je etwas Schlechtes angetan, Jasmin?“, sagte er traurig.
„Wenn du zu mir kein Vertrauen hast, dann liebst du mich nicht genug“, fügte er hinzu.
Ich war am Boden zerstört. Natürlich liebte ich ihn. Das wusste ich genau. Ich kannte mein Herz, aber ich kannte die tieferen Schichten meiner Seele nicht gut genug. Es wurmte mich sehr, dass ich nicht herausfinden konnte, warum ich ihm nicht hundertprozentig vertraute. Auch eine eheliche Bindung würde mir bei diesen Problemen keine Sicherheit geben können, da ich das Vertrauen zu ihm aus mir selbst heraus entwickeln musste.
Es tat mir sehr weh, wenn ich ihn mit meinen Beschuldigungen todtraurig machte, sodass sein Kopf und seine Seele schmerzten. Einmal meldete er sich nur vier Stunden lang nicht und war auf beiden Handys nicht erreichbar. Ich rastete aus. Ich wusste mir keinen anderen Rat, als mich in den Zug nach Salzburg zu setzen, um zu ihm zu fahren. Als ich schon in München war, rief er an. Meine Wut war sofort verflogen. Er hatte natürlich eine plausible Erklärung dafür, warum für vier Stunden Funkstille herrschte; aber ich glaubte ihm, weil ich ihm glauben wollte, und ich setzte mich sofort wieder in den Zug nach Regensburg und fuhr zurück. Haha. Verrückt! Und ich hatte ihm unterstellt, dass er diese vier Stunden dazu benutzt hätte, eine andere Frau zu verführen. Wie klein und mickrig ich mich zeigte – lächerlich.
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