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Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Bhullar
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umhergeistern, bis sie einen Menschen gefunden hätten, in den sie hineinschlüpfen könnten. Dann würden sie ihre Ruhe finden. Die Kerzen in unserem Schlafzimmer flackerten unruhig und ich kuschelte mich noch näher an Sharma. Ich hatte Angst. Ich wollte solche Geschichten nicht hören, weil ich dann nicht mehr schlafen konnte, aber mein Prinz nahm mir meine Angst, streichelte mich stundenlang und unsere sexuelle Begierde erwachte. Ich gab mich ihm vollkommen hin, unsere gemeinsamen Orgasmen verschmolzen im langsam verlöschenden Kerzenschein.
    Dann schliefen wir eng umschlungen ein und nahmen uns in unsere Träume mit.
    Leider sind Sharmas Heiratspapiere immer noch nicht angekommen. Es beunruhigte ihn sehr, dass die indischen Ämter so langsam arbeiteten. Er rief jeden Tag seine Mutter und seinen Bruder an, aber vergebens, der Bruder war verreist, die Mutter irgendwo zu Besuch - es war zum Haare raufen! Sharma wusste, dass die Papiere schon fertig waren, sie mussten nur noch nach Delhi gebracht werden, um dort eine letzte Prüfung zu bestehen. Aber wer brachte sie bloß dort hin? Sein Bruder Rampal war gerade erst von Deutschland nach Amritsar geflogen, er könnte sich um die bescheuerten Papiere kümmern und sie eigenhändig mit nach Deutschland bringen.
    Aber mir war es langsam egal. Ich würde, wenn es sein müsste, hundert Jahre auf meinen indischen Prinzen warten, naja nicht gerade hundert Jahre, aber drei Jahre bestimmt, obwohl mir das wie eine furchtbare Strafe vorkäme. Es kam mir so vor, je länger wir voneinander getrennt waren, desto stärker liebten wir uns. Diese verrückte Sehnsucht machte mich halb wahnsinnig, wenn ich von ihm getrennt war. Des halb genoss ich es irrsinnig, wenn ich mit ihm eine Woche zusammen war. Wir stritten uns nie, auch wenn wir Meinungsverschiedenheiten hatten. Wir trugen unsere Probleme ruhig und gelassen aus. Sharma erklärte mir immer ganz genau, warum er dieses oder jenes machen müsse, obwohl ich manchmal nicht seiner Meinung war, fanden wir aber immer Kompromisslösungen. Ich wollte so gerne, dass er mit mir nach Deutschland geht, aber wir beide wussten genau, dass darauf, wenn er erwischt würde, Strafe und im schlimmsten Fall Ausweisung aus Österreich stehen würde. Ich ließ mir alle möglichen abenteuerlichen Unternehmungen einfallen. Ich wollte ihn im Zug unter meinem Sitz verstecken oder mich mit ihm in die Toilette einsperren. Ich wollte sein Gesicht mit weißer Farbe anmalen und ihm eine blonde Perücke aufsetzen, damit seine schwarze Haut bei den Polizisten nicht sofort die Alarmglocken klingeln lassen würden. Ich wollte ein Auto mieten und ihn auf den Rücksitz verfrachten, mit einer Decke zudecken und bei Nacht und Nebel auf einsamen Landstraßen nach Deutschland schleichen. Ich wollte ihn am liebsten mit einem noch nicht erfundenen Teletransporter (den ich in dem Film „Die Fliege“ gesehen habe) mit einem einzigen Tastendruck in meine Wohnung beamen. Ich wollte ihn in eine überdimensional große Tasche packen und ihn auf Rollen den Bahnsteig entlang in irgendeinen Zug verfrachten. Ich wäre am liebsten unter die Passfälscher gegangen und hätte ihm eine neue Identität verpasst. Es nützte alles nichts, wir mussten warten. Sharmas Kompromiss war, dass ich jede zweite Woche eine ganze Woche lang in der Salzburger Wohnung mit ihm lebte, seinen indischen Mitbewohner Jagir quartierte er derweilen aus. Der schlief bei seinem Arbeitskollegen. Das war eine fantastische Lösung.
     
     
    „Wollen wir zusammen einen Chai trinken, Jasmin“ sagte er. Wir setzten uns an den gemütlichen Tisch in der Küche, ich zündete zwei rote Kerzen an, zog die Vorhänge zu, draußen war es schon dunkel geworden, und der warme indische Gewürztee wärmte unsere Mägen und unsere Herzen. Ich hörte ihm so gern zu, wenn er in seinem Indisch-Deutsch erzählte und mich dabei aus träumerischen großen braunen Augen ansah. Dann konnte ich die Welt um mich herum vergessen. Ich hatte das Gefühl, er befreite seine Seele durch mich. Am Anfang, als ich ihn kennen lernte, war er unheimlich schüchtern. Er konnte nicht mal küssen. Er war ein bisschen in sich gefangen. Etwas wollte aus ihm heraus, aber er ließ es nicht zu. Er versteckte seine Gefühle, er weinte nie vor mir. Stundenlang studierte ich in seinem interessanten und schönen Gesicht, wer dieser Mann wohl war? Es schien mir, als wären unsere Seelen eins. Wir waren EINE Seele in zwei Körpern. Sein schönes längliches

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