Bis das Blut gefriert
großen Charun.«
Das hatte ich mir gedacht. Ich blieb auch ruhig und sagte: »Trotzdem weiß ich nicht, wer du bist. Das hätte ich gern gewusst, aber du scheinst dich zu verstecken, wie jemand, der keinen Namen besitzt. Oder etwa doch?«
»Ich heiße Adolfi.«
»Das bringt mich nicht weiter.«
»Und ich bin ein Lukumone«, erklärte er voller Stolz.
Nach dieser Antwort war ich zunächst einmal still. Ich musste einen Moment nachdenken und brauchte ein paar Sekunden, um mit dem Begriff etwas anfangen zu können.
Ich kannte ihn aus dem Buch. Die Lukumonen waren die direkten Helfer des Dämons gewesen. Hohepriester, ähnlich wie bei den Pharaonen. Helfer in allen Lebenslagen. Nicht so mächtig, aber immer sehr darauf bedacht, etwas zu lernen und gewisse Dinge im Sinne ihrer angebeteten Herren weiterzuführen. Auch das Morden...
Dazu fiel mir die nächste Frage ein. »Dann waren Sie es, der den Priester getötet hat?«
»Genau, ich bin es gewesen. Ich habe ihn vernichtet. Er war ein Unbelehrbarer. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, doch es hat keinen Sinn gehabt. Er hat einfach nicht auf mich hören wollen. Aus diesem Grund musste er sterben. So einfach ist das gewesen. Jedem, der sich gegen mich stellt, ergeht es ebenso. Das Blut der Opfer gibt uns die Kraft. Es ist nicht verdampft, nicht vergangen. Es ist mit dem Keim des großen Charun infiziert.«
Es gab also einen Nachfolger. Einen Menschen aus dieser Zeit. Einer, der im Dritten Jahrtausend herrschte und die Vergangenheit wieder hatte lebendig werden lassen.
»Was hast du mit mir vor?«, erkundigte ich mich. Beim Sprechen hatte ich den Kopf wieder zur Seite gedreht, um nicht den verdammten Staub schmecken zu müssen.
»Auch du wirst zu seiner Gabe. Ich werde dich ausbluten lassen, wie auch deinen Freund.«
Da konnten wir uns auf etwas gefasst machen. Ob er bei Bill schon damit begonnen hatte, wusste ich nicht. Ich fragte ihn auch nicht danach, weil ich ihn nicht auf dieses Thema bringen wollte. Ich konzentrierte mich mehr auf mich selbst, und dabei spürte ich noch immer den Mündungsdruck der Waffe im Nacken. Mochte er auch mit der Vergangenheit verbunden sein, in der Gegenwart verließ er sich lieber auf die moderne Technik.
An meinen Beinen klebten die Hosenbeine fest. Das Blut hatte sie feucht werden lassen. Es würde noch dauern, bis sie getrocknet waren. Es verdampfte auch etwas von dem Zeug, sodass stets ein Blutgeruch in meine Nase drang.
Ich sagte nichts mehr und wartete auf weitere Befehle. Wahrscheinlich würde ich mich herumdrehen müssen, damit er mir die Waffe abnehmen konnte. Seltsamerweise passierte das nicht. Dafür verschwand der Druck aus meinem Nacken. Neben mir richtete sich Adolfi auf und trat etwas zur Seite, weil er einen Sicherheitsabstand einhalten wollte.
»Du kannst jetzt aufstehen, aber vorsichtig.«
Zunächst einmal sah es schlecht für mich aus. Adolfi hatte genau den richtigen Abstand gewählt, der einen Angriff meinerseits praktisch unmöglich machte. Hätte ich es auch nur versucht, hätte ich mir eine Kugel eingefangen. Dieser Adolfi war verdammt auf der Hut. Er hatte eine alte Null-Acht in der Hand. Sie war entsichert, und sein Zeigefinger umklammerte den Abzug.
Zum erstenmal sah ich ihn auch in voller Größe. Er war schwer zu beschreiben. Dem Aussehen nach hätte er auch als Waldschrat durchgehen können. Das Haar war vielleicht seit Jahren nicht mehr geschnitten worden. Strähnig und auch lockig umwuchs es seinen Kopf. Es schimmerte blauschwarz und leicht feucht. Viele Strähnen klebten zusammen.
Von seinem Gesicht war nicht viel zu sehen, weil es von einem ebenfalls dunklen Bartgestrüpp umwuchert wurde. Die Lippen fielen auf. Sie erinnerten mich an feuchte Schläuche.
Kleine Augen schimmerten unter den dichten Brauen. Die Pupillen schienen in einer Flüssigkeit zu liegen, die selbst dunkel war. Vielleicht an eisiges Blut erinnerte, das dabei war, allmählich zu tauen.
Er trug dunkle Kleidung, auf der Staub und Schmutz klebte. Adolfi war ein Mensch und kein Dämon, doch er hatte es geschafft, den dämonischen Keim in sich hineinzuholen.
Ich hatte meine Arme nicht angehoben. Das wollte Adolfi auch nicht. Er befahl mir nur, mich umzudrehen, und tat mir den Gefallen, mich nicht nach einer Waffe zu durchsuchen. Er fühlte sich sehr sicher. Vielleicht deshalb, weil er bei Bill auch keine gefunden hatte.
Von meinem Freund war nichts zu sehen. Adolfi musste ihn irgendwo hingeschafft und versteckt haben. Ich
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